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Rückforderung von Bezügen: Rücknahme der Ernennung

Eine zum Glück sehr seltene Konstellation: die Ernennung eines Beamten wird zurückgenommen, in diesem Fall, weil er über seine gesundheitliche Eignung getäuscht hatte.
Dann ist er eigentlich so zu behandeln, als sei er niemals zum Beamten ernannt worden.
Was ist mit der Besoldung, die er erhalten hat?

Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - 2 C 11.99 - vom 21.10.1999

Die Rückforderung beamtenrechtlicher Bezüge richtet sich auch dann nach § 12 Abs. 2 BBesG, § 52 Abs. 2 BeamtVG, wenn die Ernennung zurückgenommen worden ist.

Für die bei Rücknahme einer Ernennung zu treffende Ermessensentscheidung, ob die rechtsgrundlos gezahlten Bezüge belassen werden, stellt es ein sachgerechtes Kriterium dar, dass tatsächlich Dienst geleistet worden ist.

1. Der Kläger wurde 1975 in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen. 1980 erlitt er einen Herzinfarkt und konnte danach keinen Dienst mehr leisten. Der Dienstherr gelangte zu der Überzeugung, dass der Kläger bei seiner Ernennung arglistig über seinen Gesundheitszustand getäuscht habe.

Mit Bescheid vom 15.12.1982 nahm der Dienstherr die Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit zurück. Durch Bescheid vom 22.06.1983 wurde der Kläger wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Gegen die Rücknahme der Ernennung hat der Kläger erfolglos den Rechtsweg beschritten. Das seine Klage abweisende Urteil vom 10.12.1986 wurde rechtskräftig.

Mit den jetzt angefochtenen Bescheiden vom 21.01.1992 und 08.06.1993 entschied der Dienstherr über die dem Kläger bis zum 10.12.1986 als Dienst- und Versorgungsbezüge gezahlten Beträge. Er beließ dem Kläger DM 228.193,40 DM, die in der Zeit bis zum 08.01.1980, dem Tag vor dem Herzinfarkt, gezahlt worden waren.
Einen Betrag von rund DM 342.000,00, der danach geleistet worden ist, obwohl der Kläger wegen seiner Erkrankung nicht mehr Dienst tat, forderte er nebst 4 % Zinsen zurück.
Dem Kläger würden Monatsraten von DM 300,00 DM sowie ein geringerer als der haushaltsrechtlich allgemein vorgesehene Zinssatz eingeräumt. Zur Sicherung der Schuld, die der Kläger in absehbarer Zeit nicht werde tilgen können, müsse er dem Land Ansprüche aus Lebensversicherungsverträgen abtreten und eine Sicherungshypothek auf seinem Wohngrundstück bewilligen. Das Land verpflichtete sich, von einer Verwertung der Hypothek zu Lebzeiten des Klägers und seiner Ehefrau abzusehen.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage, das Oberverwaltungsgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision beantragt der Kläger,
1. die Bescheide des Beklagten vom 21.01.1992 und 08.06.1993 aufzuheben
2. anzuordnen, dass die Vollziehung der Bescheide des Beklagten vom 21.01.1992/ 08.06.1993 rückgängig zu machen ist ...


2. Die Revision des Klägers ist unbegründet.

Rechtsgrundlage für die Rückforderung der Beträge, die als Besoldung und Versorgung an den Kläger gezahlt worden sind, sind § 12 Abs. 2 BBesG, § 52 Abs. 2 BeamtVG.
Die beamtenrechtlichen Vorschriften über die Rückgewähr zuviel gezahlter Bezüge gehen als Spezialgesetze der allgemeinen Regelung des VwVfG NW über die Erstattung von Leistungen vor, die nach der Rücknahme eines Verwaltungsakts rechtsgrundlos erhalten sind. Dies gilt nicht nur, wenn lediglich eine Beförderung oder sonstige Ernennung innerhalb des weiter bestehenden Beamtenverhältnisses zurückgenommen worden ist, sondern auch dann, wenn die Rücknahme das Beamtenverhältnis als solches nachträglich beseitigt hat.

§ 12 Abs. 2 BBesG, § 52 Abs. 2 BeamtVG treffen eine Regelung über die Rückforderung "zuviel gezahlter Bezüge". Die dem Beamten oder Ruhestandsbeamten, dessen Ernennung zurückgenommen worden ist, nach Maßgabe des Bundesbesoldungsgesetzes oder des Beamtenversorgungsgesetzes gezahlten Beträge sind Bezüge bzw. Versorgungsbezüge im Sinne der genannten Bestimmungen. Dass diese Zahlungen infolge der rückwirkenden Beseitigung des Beamtenverhältnisses zu keiner Zeit als Besoldung und Versorgungsbezüge beansprucht werden konnten, ändert daran nichts. Hierin wirkt sich lediglich das Fehlen des Rechtsgrundes von Anfang an aus.
Maßgebend für den Tatbestand der § 12 Abs. 2 BBesG, § 52 Abs. 2 BeamtVG als Vorschriften über die Rückgewähr von Leistungen, die ohne Rechtsgrund erbracht worden sind, ist allein, dass die Leistungen "als Bezüge" bzw. "als Versorgungsbezüge" gezahlt worden sind. Diesen den Leistungen vom Dienstherrn beigelegten Charakter hat die Rücknahme der Ernennung nicht beseitigt. Nur dieses Verständnis wird der Funktion der § 12 Abs. 2 BBesG, § 52 Abs. 2 BeamtVG als der gegenüber dem allgemeinen Erstattungsanspruch spezielleren beamtenrechtlichen Rückabwicklungsregelung gerecht.
Als solchen ist ihnen nicht nur die Rückabwicklung einer nichtigen oder zurückgenommenen Ernennung innerhalb eines fortbestehenden Beamtenverhältnisses, sondern auch die Rückabwicklung einer fehlgeschlagenen oder nachträglich wieder beseitigten Begründung eines Beamtenverhältnisses unterworfen. Auch eine solche Rückabwicklung erfolgt nach den Regelungen, die für das Leistungsverhältnis maßgebend waren. Sie bezieht sich auf ein wirkliches, vermeintliches oder erstrebtes Beamtenverhältnis und erfüllt damit das nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats maßgebende Kriterium für die Anwendbarkeit der § 12 Abs. 2 BBesG, § 52 Abs. 2 BeamtVG.

In Fällen, in denen das Beamtenverhältnis von Anfang an nicht bestanden hat, weil die Ernennung nichtig war oder zurückgenommen worden ist, hat der Dienstherr im Zuge seiner Entscheidung über die Rückforderung der gezahlten Bezüge zu entscheiden, welche Beträge belassen werden, § 14 Abs. 2 Satz 2 LBG NW (ebenso § 14 Satz 2 BBG). Diese Bestimmung ermächtigt den Dienstherrn nicht zur Rückforderung, sondern setzt die bei Nichtigkeit einer Ernennung grundsätzlich bestehende Rückforderbarkeit der rechtsgrundlos gezahlten Bezüge voraus. Diese Entscheidung hat der Beklagte sachgerecht getroffen. Er hat dem Kläger die Bezüge belassen, die diesem in der Zeit zugeflossen sind, in der er tatsächlich Dienst geleistet hat. Der Gedanke, das, was in der Zeit der Dienstverrichtung des vermeintlichen Beamten im Verhältnis nach außen und im Innenverhältnis zum Dienstherrn geschehen ist, aufrechtzuerhalten, ist in den beiden Sätzen des § 14 Abs. 2 LBG NW angelegt. Insoweit wird berücksichtigt, dass der vermeintliche Beamte ebenso wie der wirksam ernannte Beamte seine Arbeitskraft dem Dienstherrn tatsächlich zur Verfügung gestellt und ebenso Leistungen erbracht hat.

Die ab dem 09.01.1980 gezahlten Bezüge unterliegen der Rückforderung nach § 12 Abs. 2 BBesG, § 52 Abs. 2 BeamtVG. Sie sind "zuviel gezahlt", weil ein Rechtsgrund für ihre Zahlung nicht bestanden hat.
Der Kläger kann sich nicht auf einen Wegfall der Bereicherung gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG, § 52 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG i. V. m. § 818 Abs. 3 BGB durch den bestimmungsgemäßen Verbrauch der Bezüge berufen. Er haftet verschärft nach § 819 Abs. 1 bzw. § 820 Abs. 1 i. V. m. § 818 Abs. 4, § 279 BGB.
Die Zahlung der Bezüge in der Zeit zwischen dem 17.12.1982, als der Bescheid über die Ernennungsrücknahme mit Zustellung an den Kläger wirksam wurde, und dem Eintritt der Bestandskraft dieses Bescheides am 10.12.1986, als das klagabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts Minden rechtskräftig wurde, beruhte auf der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage gegen die Ernennungsrücknahme. Damit standen die Leistungen von vornherein unter dem gesetzlichen Vorbehalt des rückwirkenden Fortfalls dieses Leistungsgrundes bei Eintritt der Bestandskraft der Rücknahmeverfügung. Hinsichtlich der Rückzahlung der Bezüge, die in der Zeit nach dem 09.01.1980 gezahlt worden sind, haftet der Kläger verschärft aufgrund der § 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG, § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4, § 279 BGB.
Zumindest war der Mangel des rechtlichen Grundes so offensichtlich, dass der Kläger ihn hätte erkennen können. Der Kläger kannte die Umstände, welche die Rücknehmbarkeit seiner Ernennung zum Beamten begründeten. Er hat im August 1975 bewusst und gewollt und in der Absicht, auf diese Weise seine Ernennung zum Beamten herbeizuführen, eine Fehlvorstellung über seine Gesundheit hervorgerufen. Dies hat das Berufungsgericht festgestellt. Es hat unter Bezugnahme auf das beiden Prozessbeteiligten bekannte Urteil des Verwaltungsgerichts Minden ausgeführt, der Kläger habe seine Ernennung durch arglistige Täuschung herbeigeführt. Besondere Umstände, die es in außergewöhnlichen Fällen nach § 242 BGB als einer "allgemeinen Vorschrift" im Sinne des § 818 Abs. 4 BGB ausnahmsweise verbieten, auch bei verschärfter Haftung eine Berufung auf den Wegfall der Bereicherung durch Verbrauch der Bezüge unberücksichtigt zu lassen (vgl. Urteil vom 27.01.1994 BVerwG 2 C 19. 92 [BVerwGE 95, 94] und Beschluss vom 16.01.1992 - BVerwG 2 C 25. 89), hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und sind auch vom Kläger nicht behauptet worden.
Die Billigkeitsentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG, § 52 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Zweck dieser Vorschriften ist es, durch eine entsprechende Ausgestaltung des konkreten Rückzahlungsverlangens eine allen Umständen des Einzelfalles gerecht werdende, für den Dienstherrn zumutbare und für den Herausgabepflichtigen tragbare Lösung zu ermöglichen. (Dabei) ... kommt es für die Billigkeitsentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG, § 52 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG maßgebend auf die Verhältnisse während des Rückabwicklungszeitraumes an. Allerdings ist es nicht ermessensfehlerhaft, wenn bei der Billigkeitsentscheidung auch dem Umstand Rechnung getragen wird, aus welchem Grunde und in welchem Umfang Bezüge belassen worden sind. Die Entscheidung des Beklagten, dem Kläger bei Zahlung monatlicher Raten, Abtretung von Ansprüchen aus Lebensversicherungsverträgen und Bewilligung einer Sicherungshypothek auf dem Wohngrundstück, aus der erst nach dem Tode des Klägers und seiner Ehefrau vollstreckt werden wird, die Forderung auf unbestimmte Zeit zu stunden, trägt allen noch in Betracht zu ziehenden Gesichtspunkten der Billigkeit Rechnung. An der Höhe der Zuvielzahlung trifft den Beklagten entgegen der Ansicht des Klägers kein erhebliches Mitverschulden, so dass auch hieraus nichts für eine weitergehende Billigkeitsentscheidung zugunsten des Klägers hergeleitet werden kann. Der Beklagte hat dem Kläger auch nach Ergehen des Rücknahmebescheides vom 15.12.82 noch Bezüge zahlen müssen, weil der Kläger durch Widerspruch und Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hinsichtlich der Ernennungsrücknahme aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts Minden herbeigeführt hat.

Dass die Brutto- und nicht lediglich die Nettobezüge zurückzuzahlen sind, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats. Die angefochtenen Zinsen in Höhe von 4 % ab Zugang des Rückforderungsbescheides stehen dem Beklagten nach § 820 Abs. 2 Halbsatz 1, § 818 Abs. 4 i. V. m. § 291 BGB zu.
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