Eignung für öffentlichen Dienst - Äußerliches - Tattoo, Kleidung ...
Alle Erwägungen sich seit Mitte 2021 auf die Neufassung der Beamtengesetze zu beziehen.
Neufassung von Beamtenstatusgesetz und Bundesbeamtengesetz Mitte 2021
§ 61 Bundesbeamtengesetz
Wahrnehmung der Aufgaben, Verhalten und Erscheinungsbild Hinweis: vgl. ► § 34 BeamtStG
(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben das ihnen übertragene Amt uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordert.
(2) Beamtinnen und Beamte haben bei Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können von der obersten Dienstbehörde eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beam-ten zu beeinträchtigen. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, das Bundesministerium der Finanzen sowie das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz werden ermächtigt, jeweils für ihren Geschäftsbereich die Einzelheiten zu den Sätzen 2 bis 4 durch Rechtsverordnung zu regeln. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.
(3) ...
Ein Fall aus neuerer Zeit / Tätowierung auf dem Rücken / Polizeivollzug
VG Trier, Beschluss vom 27. September 2022 – 7 L 2837/22.TR –
Bewerber mit Rückentattoo darf kein Polizist werden
Das Land Rheinland-Pfalz darf einen Bewerber für den Polizeidienst ablehnen, der über den gesamten oberen Rückenbereich eine Tätowierung mit den Worten „Loyalty, Honor, Respect, Family“ trägt.
Das hat die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Trier entschieden.
Der Antragsteller hatte sich um Einstellung in den gehobenen Polizeidienst des Landes Rheinland-Pfalz beworben. Der Antragsgegner lehnte seine Einstellung jedoch wegen Zweifeln an seiner charakterlichen Eignung ab.
Die Tätowierung mit den Begriffen im Zusammenhang mit der gewählten Schriftart „Old English“ vermittele den Gesamteindruck eines „Ehrenkodex“, der über den Bedeutungsgehalt der einzelnen tätowierten Begriffe hinausreiche und inhaltlich mit den Werten einer „modernen Bürgerpolizei“ nicht in Einklang gebracht werden könne.
Hiergegen hat der Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht Trier gesucht, mit dem er die Einstellung in den Polizeidienst begehrt. Zur Begründung machte er im Wesentlichen geltend, es sei willkürlich, aufgrund einer – nicht sichtbaren – Tätowierung auf seine Nichteignung zu schließen. Diesem Antrag haben die Richter der 7. Kammer nicht entsprochen. Der Antragsgegner habe keinen Anspruch auf Einstellung in den gehobenen Polizeidienst des Antragsgegners. Nach den maßgeblichen Vorschriften seien Einstellungen in ein öffentliches Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorzunehmen, wobei dem Dienstherrn ein Beurteilungsspielraum zustehe, der nur einer begrenzten gerichtlichen Kontrolle unterliege. Die erforderliche charakterliche Eignung des Antragstellers habe der Antragsgegner zutreffend verneint, denn dieser habe seine Zweifel an der charakterlichen Nichteignung des Antragstellers plausibel, willkürfrei und ohne sachwidrige Erwägungen dargelegt. Zu Recht habe der Antragsgegner ausgeführt, dass die in der Tätowierung enthaltenen Begriffe und insbesondere die Voranstellung der Begriffe „Loyalität“ und „Ehre“ an erster und zweiter Stelle bei einem unbefangenen Betrachter den Verdacht nahelegen müssen, dass diese Werte für den Antragsteller eine besondere Bedeutung haben und hieraus der Schluss gezogen werden könne, dass dieser ein archaisches und überkommenes Wertesystem vertrete, in welchem der Loyalität zu einer bestimmten Person oder Personengruppe und der Aufrechterhaltung einer wie auch immer gearteten „Ehre“ eine übersteigerte Bedeutung zukomme. Eine solche persönliche Einstellung sei jedoch mit der Pflicht eines Polizeibeamten zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten unvereinbar. Im Falle des Antragsstellers könne nicht ausgeschlossen werden, dass dieser aufgrund seines Wertesystems der „Loyalität“ und „Ehre“ eine höhere Bedeutung als den Freiheitsrechten der Bürger zumesse, zumal dieser nicht hinreichend dargelegt habe, auf welchen Bezugspunkt sich diese Attribute beziehen. Aufgrund der unplausiblen Erklärung des Antragstellers zu den Hintergründen der Tätowierung komme eine andere Bewertung als die vom Antragsgegner angenommene nicht ernsthaft in Betracht.
Gegen die Entscheidung steht dem Beteiligten innerhalb von zwei Wochen Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zu.
Bewerber mit Rückentattoo darf kein Polizist werden
Das Land Rheinland-Pfalz darf einen Bewerber für den Polizeidienst ablehnen, der über den gesamten oberen Rückenbereich eine Tätowierung mit den Worten „Loyalty, Honor, Respect, Family“ trägt.
Das hat die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Trier entschieden.
Der Antragsteller hatte sich um Einstellung in den gehobenen Polizeidienst des Landes Rheinland-Pfalz beworben. Der Antragsgegner lehnte seine Einstellung jedoch wegen Zweifeln an seiner charakterlichen Eignung ab.
Die Tätowierung mit den Begriffen im Zusammenhang mit der gewählten Schriftart „Old English“ vermittele den Gesamteindruck eines „Ehrenkodex“, der über den Bedeutungsgehalt der einzelnen tätowierten Begriffe hinausreiche und inhaltlich mit den Werten einer „modernen Bürgerpolizei“ nicht in Einklang gebracht werden könne.
Hiergegen hat der Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht Trier gesucht, mit dem er die Einstellung in den Polizeidienst begehrt. Zur Begründung machte er im Wesentlichen geltend, es sei willkürlich, aufgrund einer – nicht sichtbaren – Tätowierung auf seine Nichteignung zu schließen. Diesem Antrag haben die Richter der 7. Kammer nicht entsprochen. Der Antragsgegner habe keinen Anspruch auf Einstellung in den gehobenen Polizeidienst des Antragsgegners. Nach den maßgeblichen Vorschriften seien Einstellungen in ein öffentliches Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorzunehmen, wobei dem Dienstherrn ein Beurteilungsspielraum zustehe, der nur einer begrenzten gerichtlichen Kontrolle unterliege. Die erforderliche charakterliche Eignung des Antragstellers habe der Antragsgegner zutreffend verneint, denn dieser habe seine Zweifel an der charakterlichen Nichteignung des Antragstellers plausibel, willkürfrei und ohne sachwidrige Erwägungen dargelegt. Zu Recht habe der Antragsgegner ausgeführt, dass die in der Tätowierung enthaltenen Begriffe und insbesondere die Voranstellung der Begriffe „Loyalität“ und „Ehre“ an erster und zweiter Stelle bei einem unbefangenen Betrachter den Verdacht nahelegen müssen, dass diese Werte für den Antragsteller eine besondere Bedeutung haben und hieraus der Schluss gezogen werden könne, dass dieser ein archaisches und überkommenes Wertesystem vertrete, in welchem der Loyalität zu einer bestimmten Person oder Personengruppe und der Aufrechterhaltung einer wie auch immer gearteten „Ehre“ eine übersteigerte Bedeutung zukomme. Eine solche persönliche Einstellung sei jedoch mit der Pflicht eines Polizeibeamten zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten unvereinbar. Im Falle des Antragsstellers könne nicht ausgeschlossen werden, dass dieser aufgrund seines Wertesystems der „Loyalität“ und „Ehre“ eine höhere Bedeutung als den Freiheitsrechten der Bürger zumesse, zumal dieser nicht hinreichend dargelegt habe, auf welchen Bezugspunkt sich diese Attribute beziehen. Aufgrund der unplausiblen Erklärung des Antragstellers zu den Hintergründen der Tätowierung komme eine andere Bewertung als die vom Antragsgegner angenommene nicht ernsthaft in Betracht.
Gegen die Entscheidung steht dem Beteiligten innerhalb von zwei Wochen Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zu.
Auch künftig dürfte gelten:
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss vom 02.11.20 - 1 B 2237/20 -Leitsatz
1. Jenseits gesetzlich ausdrücklich geregelter Fälle unzulässiger Tätowierungen sowie der Fälle, in denen die Tätowierung von ihrem Inhalt her unzweideutig den Rückschluss auf die Ungeeignetheit eines Einstellungsbewerbers zulässt, bedarf es einer besonders sorgfältigen Prüfung, ob eine Tätowierung Zweifel an der charakterlichen Eignung eines Einstellungsbewerbers begründet.
2. Im Allgemeinen wird dieser Rückschluss nicht ohne das Hinzutreten weiterer Umstände gerechtfertigt sein.
3. Bei geringeren Anforderungen würden die Einstellungsvoraussetzungen beliebig und hingen in rechtlich nicht mehr zulässiger Weise vom subjektiven Empfinden der mit dem Einstellungsverfahren befassten Personen ab.
Zur Lage vor der Änderung von Beamtenstatusgesetz und Bundesbeamtengesetz:
Das Bundesverwaltungsgericht hatte 2019 eine Revision zugelassen. Das Revisionsverfahren sollte dem Bundesverwaltungsgericht im Anschluss an frühere Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Urteile vom 02.03.06 - 2 C 3.05 - BVerwGE 125, 85 und vom 17.11.17 - 2 C 25.17 - BVerwGE 160, 370) Gelegenheit zur weiteren Klärung der Frage geben, welche Anforderungen an eine hinreichend bestimmte gesetzliche Ermächtigung zu stellen sind, die das zulässige Ausmaß von Tätowierungen bei Beamten regelt. Das unter dem Aktenzeichen BVerwG 2 C 13.19 geführte Revisionsverfahren endete am 14.05.20 mit einer Niederlage für den Beamten, einen bayerischen Polizeihauptkommissar.Das Urteil ist in seinem vollen Text auf der Internetseite des Bundesverwaltungsgerichts veröffentlicht. Die Leitsätze lauten wie folgt:
"Leitsätze
1. Mit der Neufassung des Art. 75 Abs. 2 Satz 2 BayBG im Jahr 2018 hat der bayerische Gesetzgeber unmittelbar die parlamentarische Leitentscheidung getroffen, dass sich Polizeivollzugsbeamte in dem beim Tragen der (Sommer-)Uniform sichtbaren Körperbereich nicht tätowieren lassen dürfen.
2. Das in Art. 75 Abs. 2 Satz 2 BayBG normierte Verbot für Polizeivollzugsbeamte, sich an Kopf, Hals, Händen und Unterarmen im sichtbaren Bereich tätowieren oder vergleichbar behandeln zu lassen, verletzt weder das allgemeine Persönlichkeitsrecht dieser Beamten noch verstößt es gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Denn dieses Verbot ist geeignet und erforderlich, das vom Gesetzgeber vorgegebene Ziel eines einheitlichen und neutralen Erscheinungsbildes der Polizei zu fördern."
Es ging in jenem Verfahren um ein nicht politisch motiviertes Tattoo von maximal 15 x 6 cm.
In seinem Urteil vom 14.05.20 sieht das Bundesverwaltungsgericht die Dinge verbindlich geregelt durch Art. 75 Abs. 2 Bayerisches Beamtengesetz:
"Soweit es das Amt erfordert, kann die oberste Dienstbehörde nähere Bestimmungen über das Tragen von Dienstkleidung und das während des Dienstes zu wahrende äußere Erscheinungsbild der Beamten und Beamtinnen treffen. Dazu zählen auch Haar- und Barttracht sowie sonstige sichtbare und nicht sofort ablegbare Erscheinungsmerkmale."
Die Diskussion unter Juristen drehte sich zuletzt im Wesentlichen um die Frage, wie genau die gesetzliche Regelung die unzulässigen Merkmale beschreiben muss. Es bedarf einer möglichst konkreten gesetzlichen Grundlage.
Beachten Sie aber auch, dass politisch motivierte Tattoos über Fragen der Asthetik hinaus Zweifel an der Verfassungstreue und/oder an der charakterlichen Eignung des Tätowierten für den Beruf des Beamten begründen können.
Im Jahr 2022 hat sich das Bundesverfassungsgericht zu dem Fall geäußert, und zwar mit einem Beschluss vom 18.05.22 - 2 BvR 1667/20 -. Tenor des Beschlusses:
"Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Mai 2020 - 2 C 13.19 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts wird aufgehoben. Die Sache wird an das Bundesverwaltungsgericht zurückverwiesen."
Andere Regelungsversuche
Das niedersächsische Justizgesetz wurde zum Schutz der Neutralität ausdrücklich um einen § 31 a bereichert:"§ 31 a Neutrales Auftreten im Dienst
Wer in einer Verhandlung oder bei einer anderen Amtshandlung, bei deren Wahrnehmung Beteiligte, Zeuginnen oder Zeugen, Sachverständige oder Zuhörerinnen oder Zuhörer anwesend sind, ihr oder ihm obliegende oder übertragene richterliche oder staatsanwaltliche Aufgaben wahrnimmt, darf keine sichtbaren Symbole oder Kleidungsstücke tragen, die eine religiöse, weltanschauliche oder politische Überzeugung zum Ausdruck bringen.“
Was an juristischen Erwägungen dazu alles möglich ist, wird Ihnen vom Niedersächsischen Landtag – 18. Wahlperiode - in der Drucksache 18/4394 auf Seiten 24 ff. umfassend dargestellt.
Zum berliner Neutralitätsgesetz ist auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27.08.20 hinzuweisen:
Leitsatz
Die Regelung in § 2 Berliner NeutrG, wonach es Lehrkräften und anderen Beschäftigten mit pädagogischem Auftrag in den öffentlichen Schulen ohne weiteres ua. verboten ist, innerhalb des Dienstes auffallende religiös oder weltanschaulich geprägte Kleidungsstücke, mithin auch ein islamisches Kopftuch zu tragen, ist, sofern das Tragen dieses Kleidungsstücks nachvollziehbar auf ein als verpflichtend verstandenes religiöses Gebot zurückzuführen ist, verfassungskonform dahin auszulegen, dass sie das Tragen des Kopftuchs innerhalb des Dienstes nur bei Vorliegen einer konkreten Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität verbietet.
(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.08.20 - 8 AZR 62/19 -)
Relativ aktuell ist ein Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg vom 26.09.19 - OVG 4 S 59.19 - mit dem Leitsatz:
"1. In Berlin fehlt es nach wie vor an einer gesetzlichen Grundlage zur Regelung des zulässigen Ausmaßes von Tätowierungen bei Polizeivollzugsbeamten. Das sogenannte Neutralitätsgesetz aus dem Jahr 2005 stellt keine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage dar, die Tätowierungen unter Verwendung religiöser oder weltanschaulicher Symbole verbieten würde.
2. Der Inhalt einer Tätowierung kann unter bestimmten Voraussetzungen Zweifel an der charakterlichen Eignung des Bewerbers begründen. Dies ist der Fall, wenn die Tätowierung Ausdruck einer inneren Einstellung des Bewerbers ist, die der Werteordnung des Grundgesetzes widerspricht. Der Rückschluss vom Tragen einer Tätowierung auf eine frauenverachtende bzw. gewaltverherrlichende Haltung des Bewerbers setzt eine Gesamtwürdigung des Verhaltens des Bewerbers voraus. Dabei sind auch die Angaben des Bewerbers zur Bedeutung seiner Tätowierung zu würdigen."
Aktueller ist ein Beschluss des OVG NRW vom 12.05.20 mit dem Aktenzeichen 6 B 212/20
(1. Instanz VG Gelsenkirchen 1 L 1813/19)
Ein Auszug aus der Pressemitteilung:
"Das Oberverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 12.05,20 eine Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen bestätigt, mit der das Land NRW verpflichtet worden ist, einen tätowierten Einstellungsbewerber für den Polizeivollzugsdienst vorläufig weiterhin am Auswahlverfahren teilnehmen zu lassen. Der Antragsteller hat sich um die Einstellung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst des Landes NRW zum 1. September 2020 beworben. Auf seine linke Brust ist ein Löwenkopf mit aufgerissenem Maul in einer Größe von ca. 22 cm x 18 cm tätowiert. Nachdem er das Testverfahren erfolgreich durchlaufen hatte, lehnte das Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei Nordrhein-Westfalen seine Einstellung ab und führte zur Begründung aus, es bestünden Zweifel an seiner charakterlichen Eignung. Der Zähne fletschende Löwenkopf wirke angriffslustig und aggressiv auf den Betrachter; er vermittle einen gewaltverherrlichenden Eindruck, der sich nicht mit dem an einen Polizeivollzugsbeamten gestellten Anforderungsprofil vereinbaren lasse. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat demgegenüber entschieden, die Tätowierung des Antragstellers könne seiner Einstellung nicht entgegengehalten werden.
Die dagegen gerichtete Beschwerde des Landes NRW hatte keinen Erfolg."
Literatur
Sehr viel gründlicher als wir stellt Frau Professorin Dr. Kristin Pfeiffer die Rechtslage in einem Aufsatz in NVwZ 2020, 15 ff. dar.Bemerkenswert sind auch die Aufsätze von Horst Marburger, "Beamte und Tätowierungen", in RiA 2020, 5 ff., und Thomas Elbel, "Commissaius ornamentalis - Zur Verfassungsmäßigkeit von Regelungen zur Beschränkung von Korperschmuck bei Polizeipersonal", in ZBR 2020, 190 ff.
Etwas älter, aber immer noch lesenswert ist ein Aufsatz von Dr. Jörg-Michael Günter, "Sichtbare großflächige Tätowierungen kein Einstellungshindernis für Polizeivollzugsbeamte?", in: Zeitschrift für Beamtenrecht 2013, 116 ff.
Herr Jörg-Michael Günther äußert sich gemeinsam mit Prof. Dr. Lars Oliver Michaelis in NVwZ 2021, 1115 ff. zu dem Thema "Körperschmuckmotive als Indiz für Eignungsmängel tätowierter Beamtenbewerber".
Das Septemberheft 2021 der Zeitschrift für Beamtenrecht widmet sich in seinem Aufsatzteil mit zwei Aufsätzen ganz den "Verfassungsfragen des Gesetzes zur Regelung des Erscheinungsbildes von Beamtinnen und Beamten" (so der Titel eines der Aufsätze).
Tattoos, Ohrstecker, Kopftücher
Es wird Sie vielleicht wundern, dass sich das Beamtenrecht unter dem Gesichtspunkt der Eignung immer wieder auch mit Äußerlichkeiten befasst, in neuerer Zeit besonders mit den Tätowierungen von Bewerbern für den Polizeivollzugsdienst usw.Möglicherweise speist sich die Verwunderung aus ganz unterschiedlichen Überzeugungen.
Der eine wird sagen: Was gibt es da zu diskutieren? Uniformträger mit Tätowierung - das geht doch nicht!
Der andere wird demgegenüber der Meinung sein: Was geht meine Tätowierung den Dienstherrn bzw. den Staat an?
So bietet eine solche Problematik ein schönes Beispiel dafür, dass sich Juristen mühsam darum bemühen, vernünftige Lösungen auf der Grundlage rationaler Argumente zu entwickeln.
Wir hatten ähnliche Fragestellungen schon in der Vergangenheit: lange gab es Streit um Ohrstecker von Uniformträgern, heftig umstritten war auch, ob Haare so lang sein dürfen wie sie wollen.
Wer als männlicher Polizeibeamter unbedingt einen Pferdeschwanz tragen möchte, der ca. 15 cm über den Hemdkragen reicht, sollte sich im Streitfall das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.03.06 in der Sache 2 C 3.05 ansehen.
Vor gut zwei Jahrzehnten haben wir in Hamburg über einen sog. Barterlass für Polizeibeamte gestritten.
Und danach haben wir Partei ergriffen im Hinblick auf das "Kopftuchverbot" für Lehrerinnen.
Aber nun zurück zur Tätowierung:
Da mag es einmal um die reine Ästhetik gehen, es können sich aber andererseits auch beanstandenswerte Inhalte zeigen, etwa wenn durch die Art der Tätowierung eine verfassungsfeindliche Gesinnung zur Schau getragen werden soll.
Schon seit längerem stellen wir in dem Bereich unserer Seite, in dem es um die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis geht, einen Fall dar, in dem nach Meinung des Dienstherrn eine Tätowierung auf eine rechtsradikale Gesinnung schließen ließ. Dann vermengen sich Fragen der Ästhetik mit Fragen nach der demonstrativ dargestellten Gesinnung und damit nach der charakterlichen Eignung, etwa unter dem Gesichtspunkt der Verfassungstreue.
Nach dem oben erwähnten Urteil des Bundesverwaltungsgerrichts vom 17.11.17 - BVerwG 2 C 25.17 -, welches Sie auf der Internetseite des Bundesverwaltungsgerichts oder in NJW 2018, 1185 finden, wandte sich das Interesse mehr der Frage zu, welche gesetzlichen Voraussetzungen für ein Verbot unliebsamer Tätowierungen gegeben sein müssten.
Für Sie als Betroffene ist das sicher eher ein formeller Aspekt, aber die Rechtsprechung war und ist damit beschäftigt.
Dabei geht es jetzt, da gesetzliche Regelungen vorliegen, in erster Linie um die Bewertung der einzelnen Motive.
Hierzu ein Beispiel, welches die Probleme beleuchtet:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 14.09.21 -
2 L 1822/21 -
Ein Bewerber für den Polizeivollzugsdienst, der sich neben weiteren Motiven auch ein Skelett einschließlich Totenkopf auf seinen Oberarm hat tätowieren lassen, darf unter Berücksichtigung der von ihm hierzu gegebenen Erläuterung nicht mit der Begründung, die Tätowierung ließe auf eine gewaltverherrlichende Einstellung schließen, zurückgewiesen werden. Das hat die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf mit Beschluss vom heutigen Tag entschieden und dem Antrag des Bewerbers, das Land Nordrhein-Westfalen zu verpflichten, ihn vorläufig in den Vorbereitungsdienst für den Polizeivollzugsdienst einzustellen, im Eilverfahren stattgegeben.
Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt:
Zwar könne eine Tätowierung, die ein dauerhaftes und intensives Bekenntnis zu einer Haltung oder Überzeugung darstelle, Zweifel an der charakterlichen Eignung eines Bewerbers für den Polizeidienst begründen, wenn diese Überzeugung mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar sei. Das hänge jedoch vom tätowierten Motiv, der Einbettung in ein etwaiges Bildprogramm weiterer Tätowierungen und den Angaben des Betroffenen zu seinen Beweggründen für die Tätowierung ab. Diese Umstände habe die Einstellungsbehörde hier nicht ausreichend berücksichtigt, sondern unter anderem darauf abgestellt, dass die Zähne im Kiefer des Totenschädels „überdimensional groß“ seien und daher Angst einflößend wirkten und dass im Skelett auf Gewalteinwirkung hindeutende Risse zu erkennen seien. Diese Details der interpretationsfähigen Darstellung böten indes keine greifbaren Anhaltspunkte für eine die Einstellung in den Polizeidienst ausschließende Gewaltverherrlichung durch den Antragsteller. Denn die Tätowierung auf seinem Oberarm zeige nicht nur einen Totenkopf, sondern ein Skelett mit einer Kette in der Hand, an der eine Sanduhr befestigt sei. Daneben befänden sich auf dem Arm weitere Tätowierungen mit den Motiven Engel, Friedenstaube und Auge. Der Antragsteller habe in einer diesbezüglichen Stellungnahme ausgeführt, diese Motive sollten im Gesamtbild Werte und Eigenschaften darstellen, die für seinen Lebensweg von besonderer Bedeutung seien. So stehe der Engel für Schutz, Geborgenheit, Kraft und Mut, die Friedenstaube für Liebe, Hoffnung und Versöhnung sowie das Auge für Erkenntnis, Wissen und Wahrheit. Das Skelett mit der Sanduhr symbolisiere die Vergänglichkeit des menschlichen Lebens und sei Mahnung, die Lebenszeit sinnvoll zu nutzen.
Gegen die Entscheidung kann Beschwerde eingelegt werden.
Ein Bewerber für den Polizeivollzugsdienst, der sich neben weiteren Motiven auch ein Skelett einschließlich Totenkopf auf seinen Oberarm hat tätowieren lassen, darf unter Berücksichtigung der von ihm hierzu gegebenen Erläuterung nicht mit der Begründung, die Tätowierung ließe auf eine gewaltverherrlichende Einstellung schließen, zurückgewiesen werden. Das hat die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf mit Beschluss vom heutigen Tag entschieden und dem Antrag des Bewerbers, das Land Nordrhein-Westfalen zu verpflichten, ihn vorläufig in den Vorbereitungsdienst für den Polizeivollzugsdienst einzustellen, im Eilverfahren stattgegeben.
Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt:
Zwar könne eine Tätowierung, die ein dauerhaftes und intensives Bekenntnis zu einer Haltung oder Überzeugung darstelle, Zweifel an der charakterlichen Eignung eines Bewerbers für den Polizeidienst begründen, wenn diese Überzeugung mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar sei. Das hänge jedoch vom tätowierten Motiv, der Einbettung in ein etwaiges Bildprogramm weiterer Tätowierungen und den Angaben des Betroffenen zu seinen Beweggründen für die Tätowierung ab. Diese Umstände habe die Einstellungsbehörde hier nicht ausreichend berücksichtigt, sondern unter anderem darauf abgestellt, dass die Zähne im Kiefer des Totenschädels „überdimensional groß“ seien und daher Angst einflößend wirkten und dass im Skelett auf Gewalteinwirkung hindeutende Risse zu erkennen seien. Diese Details der interpretationsfähigen Darstellung böten indes keine greifbaren Anhaltspunkte für eine die Einstellung in den Polizeidienst ausschließende Gewaltverherrlichung durch den Antragsteller. Denn die Tätowierung auf seinem Oberarm zeige nicht nur einen Totenkopf, sondern ein Skelett mit einer Kette in der Hand, an der eine Sanduhr befestigt sei. Daneben befänden sich auf dem Arm weitere Tätowierungen mit den Motiven Engel, Friedenstaube und Auge. Der Antragsteller habe in einer diesbezüglichen Stellungnahme ausgeführt, diese Motive sollten im Gesamtbild Werte und Eigenschaften darstellen, die für seinen Lebensweg von besonderer Bedeutung seien. So stehe der Engel für Schutz, Geborgenheit, Kraft und Mut, die Friedenstaube für Liebe, Hoffnung und Versöhnung sowie das Auge für Erkenntnis, Wissen und Wahrheit. Das Skelett mit der Sanduhr symbolisiere die Vergänglichkeit des menschlichen Lebens und sei Mahnung, die Lebenszeit sinnvoll zu nutzen.
Gegen die Entscheidung kann Beschwerde eingelegt werden.
Das Bundesverwaltungsgericht hat schon vor einigen Jahren auf statistische Erhebungen hingewiesen, nach denen beträchtliche Anteile der Bevölkerung tätowiert sind. Bei solchen Konstellationen muss die Juristerei aufpassen, dass sie nicht all zu weit hinter die Realität zurückfällt.
Es geht mit den Meinungen hin und her.
Auch um Kleidung kann es gehen, und zwar nicht nur um Kopftücher:
Das OVG Lüneburg hat in einem Beschluss vom 04.12.12 - 5
LA 357 / 11 - wie folgt entschieden:
"Das Tragen von Kleidung mit rechtsextremistischen Aufdrucken beim Dienstsport kann eine fristlose Entlassung aus der Bundeswehr rechtfertigen."
Es ging um den Fall eines Soldaten auf Zeit, der gem. § 55 V SG fristlos aus der Bundeswehr entlassen wurde.
"Das Tragen von Kleidung mit rechtsextremistischen Aufdrucken beim Dienstsport kann eine fristlose Entlassung aus der Bundeswehr rechtfertigen."
Es ging um den Fall eines Soldaten auf Zeit, der gem. § 55 V SG fristlos aus der Bundeswehr entlassen wurde.