Charakterliche Nichteignung, OVG NRW, Beschluss vom 17.08.2017 - 6 B 751/17 -
Charakterliche Eignung als Ernennungsvoraussetzung
Oberverwaltungsgericht NRW, Beschluss vom 17.08.2017 - 6 B 751/17 -
Vorinstanz: Verwaltungsgericht Aachen, 1 L 760/17
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e :
4
Das Verwaltungsgericht hat den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung, den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller einen Ausbildungsplatz für die Ausbildung zum gehobenen Polizeivollzugsdienst im Land Nordrhein-Westfalen im Einstellungsjahrgang 2017 freizuhalten, bis über seine Bewerbung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden ist, mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs abgelehnt. Mit der begehrten Regelung träte eine Vorwegnahme der Hauptsache ein. Die in diesem Fall gesteigerten Anforderungen an das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs, wonach ein hoher Grad der Wahrscheinlichkeit dafür sprechen müsse, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch begründet sei, lasse sich nicht feststellen. Der Ausschluss des Antragstellers vom weiteren Bewerbungsverfahren sei rechtlich nicht zu beanstanden.
5
Die mit der Beschwerde dagegen erhobenen Einwendungen führen nicht zum Erfolg des Antrags.
6
Dem Antragsteller ist zunächst zuzugeben, dass angesichts der Formulierung seines Antrags, der ausdrücklich lediglich auf die (vorläufige) Freihaltung eines Ausbildungsplatzes gerichtet ist, nichts für eine Vorwegnahme der Hauptsache (Einstellung in den Polizeivollzugsdienst bzw. Fortsetzung des Bewerbungsverfahrens) ersichtlich ist.
7
Der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsanspruch ist indes auch dann nicht glaubhaft gemach, wenn – anders als vom Verwaltungsgericht angenommen – an dessen Vorliegen keine gesteigerten Anforderungen gestellt werden. Die Entscheidung des Antragsgegners, die Bewerbung des Antragstellers um Einstellung in den gehobenen Polizeivollzugsdienst (im Jahr 2017) wegen Zweifeln an dessen charakterlicher Eignung nicht zu berücksichtigen (Bescheid vom 08.03.17), ist rechtlich nicht zu beanstanden.
8
In diesem Zusammenhang geht die Beschwerde weiter zutreffend davon aus, dass der Antragsgegner seine Zweifel an der charakterlichen Eignung des Antragstellers – anders als in der verwaltungsgerichtlichen Prüfung zugrunde gelegt – in erster Linie auf die gegen den Antragsteller gerichteten Strafverfahren wegen Beleidigung auf sexueller Basis und wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort bzw. auf die diesen Verfahren zu Grunde liegenden Sachverhalte stützt und allenfalls ergänzend darauf, dass der Antragsteller im Bewerbungsverfahren ein gegen ihn gerichtetes Strafverfahren verschwiegen hat; letzteren Umstand erwähnt der Antragsgegner lediglich im Zusammenhang mit der Bewertung der Verkehrsunfallflucht.
9
Gleichwohl ist auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nicht festzustellen, dass der Antragsgegner den Antragsteller zu Unrecht vom weiteren Bewerbungsverfahren ausgeschlossen hat. Die beiden gegen den Antragsteller gerichteten Strafverfahren bzw. die diesen Verfahren zugrunde liegenden Vorfälle bzw. Verhaltensweisen tragen die vom Antragsgegner angenommenen Zweifel an der charakterlichen Eignung des Antragstellers. Die vom Dienstherrn vorzunehmende Beurteilung der für den Polizeivollzugsdienst erforderlichen charakterlichen Eignung ist ein Akt wertender Erkenntnis, der vom Gericht nur beschränkt darauf zu überprüfen ist, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff verkannt, einen unrichtigen Sachverhalt zu Grunde gelegt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachwidrige Erwägungen angestellt hat.
10
Etwa BVerwG, Urteil vom 30.01.03 – 2 A 1.02 –, juris.
11
Dafür ist hier nichts ersichtlich.
12
Mit seinem Einwand, der Antragsgegner gehe in Bezug auf den Vorfall der Verkehrsunfallflucht ebenso wie das Verwaltungsgericht von einem unzutreffenden Sachverhalt aus, weil das Verkehrsschild beim Verlassen der Unfallstelle entgegen den Annahmen des Antragsgegners noch nicht vollständig abgeknickt gewesen sei, dringt der Antragsteller nicht durch. Der Antragsgegner führt den Umstand, dass das Schild (vollständig) abgeknickt gewesen sei, in erster Linie zum Beleg dafür an, dass es sich nicht nur um eine geringfügige Einwirkung durch das Fahrzeug des Antragstellers gehandelt haben könnte. Dafür ist es aber irrelevant, ob es bereits beim Verlassen der Unfallstelle vollständig abgeknickt war oder – wie vom Antragsteller geltend gemacht – möglicherweise erst später „aufgrund der Lockerung durch den Verkehrsunfall von selbst umgefallen“ oder „durch spielende Kinder zum Umfallen gebracht“ worden ist. Es liegt auf der Hand, dass beides nur möglich ist, wenn eine erhebliche Vorschädigung (durch den Unfall) vorgelegen hat. Im Übrigen weist auch der Antragsgegner lediglich darauf hin, dass das Schild (jedenfalls) auf den Bildern der Ermittlungsakte ganz am Boden gelegen habe. Unabhängig davon hat der Antragsteller selbst im damaligen Ermittlungsverfahren in seinem Schreiben vom 7.09.13 noch geäußert, dass das Schild nicht auf der Straße gelegen habe.
13
Auch sonst liegt keine Überschreitung des Bewertungsspielraums darin, dass der Antragsgegner seine Einschätzung mangelnder Eignung auch auf das unerlaubte Entfernen vom Unfallort gestützt hat. Der Antragsgegner verweist in diesem Zusammenhang beanstandungsfrei darauf, dass der Antragsteller als Polizeibeamter zu einem Verhalten verpflichtet ist, das der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, das der Beruf erfordert. Es gehört zu den Kernaufgaben des Polizeivollzugsdienstes, Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zu verhindern und zu verfolgen, so dass Verstöße in diesem Bereich grundsätzlich geeignet sind, Zweifel an der persönlichen Eignung des Bewerbers zu begründen.
14
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18.10.13 – 1 B 1131/13 –, juris, Rn. 19; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27.11.08 – 4 S 2332/08 –, juris, Rn. 7.
15
Vor diesem Hintergrund begründen auch die von der Beschwerde angeführten Umstände, dass der Antragsteller zum damaligen Zeitpunkt erst 20 Jahre alt gewesen sei, keine besondere kriminelle Energie gezeigt und den Verkehrsunfall wenig später von sich aus gemeldet habe, nicht die Rechtsfehlerhaftigkeit der Eignungseinschätzung. Im Übrigen ändert die spätere (nach 80 Minuten erfolgte) telefonische Meldung des Unfalls nichts an der Verwirklichung des Straftatbestandes. Soweit der Antragsteller darauf verweist, er habe kein Mobiltelefon dabei gehabt, ist nicht nachvollziehbar, weshalb er insoweit nicht andere Verkehrsteilnehmer hätte ansprechen können. Die Argumentation des Antragsgegners, es wäre dem Antragsteller im Zeitalter von Mobiltelefonen durchaus zuzutrauen gewesen, den Unfall vorher zu melden, trifft daher auf keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
16
Eine rechtsfehlerhafte Beurteilung der (mangelnden) charakterlichen Eignung des Antragstellers lässt sich ferner nicht feststellen, soweit der Antragsgegner sich auf die Beleidigung auf sexueller Basis bzw. das entsprechende Strafverfahren stützt. Die Beschwerde macht geltend, es sei mit Blick auf die beim (Atem-)Alkoholtest ermittelte Alkoholkonzentration von 1,84 Promille vermutlich von einer verringerten Schuldfähigkeit, wenn nicht sogar einer Schuldunfähigkeit auszugehen; das Oberverwaltungsgericht habe insoweit bereits entschieden, dass Verhaltensweisen, bei denen nicht auszuschließen sei, dass der Bewerber im Zustand der Schuldunfähigkeit gehandelt habe, nicht für die Annahme einer charakterlichen Nichteignung herangezogen werden könnten. Mit diesem Vorbringen verkennt die Beschwerde bereits, dass der Senat eine generelle Aussage dieses Inhalts nicht getroffen hat. Eine solche Aussage lässt sich auch nicht dem Senatsbeschluss vom 13.10.11 – 6 B 1164/11 – entnehmen, auf den sie sich damit möglicherweise berufen will. Der diesem Verfahren zugrunde liegende Sachverhalt war davon gekennzeichnet, dass der Dienstherr dem Einstellungsbewerber einen nicht angemessenen Umgang mit Konflikten sowie ausdrücklich ein „bewusstes“ Hineinbewegen in „gesetzliche und rechtliche Randzonen und Grenzbereiche“ vorgeworfen hatte und zudem davon ausgegangen war, dass der Beamte „zum Einsatzzeitpunkt zeitlich und örtlich absolut orientiert“ gewesen sei, obwohl ausweislich der Verwaltungsakte der Alkoholtest aufgrund der Alkoholisierung (Atemalkoholgehalt von 1,14 mg/l) erst nach „zweimaligem Versuch“ erfolgreich und es dem Bewerber nicht möglich gewesen war, sich die Namen der eingesetzten Beamten zu merken, die ihm auf sein Verlangen mehrfach genannt worden waren. Eine solche Argumentation, die tatsächliche Ungereimtheiten enthält und auch auf rechtliche Bedenken stößt, nimmt der Antragsgegner hier nicht vor. Der Antragsgegner verweist in dem Bescheid vom 08.03.17 ausdrücklich auf das Anhörungsschreiben vom 16.02.17. Darin hatte er auf das (dem Strafverfahren zu Grunde liegende) tatsächliche Geschehen Bezug genommen und bewertet, wobei er sowohl den alkoholisierten Zustand des Antragstellers als auch dessen sonstige Einlassungen zum Geschehensablauf in seine Erwägungen mit einbezogen hatte. Entgegen der Auffassung des Antragstellers sind sexuell beleidigende Verhaltensweisen (hier: einem Mädchen in den Schritt gefasst), auch wenn sie möglicherweise im Zustand der verminderten Schuldunfähigkeit oder der Schuldunfähigkeit vorgenommen worden sind, im Grundsatz geeignet, Zweifel an der charakterlichen Eignung eines Bewerbers mit zu stützen. Allein der von der Beschwerde geltend gemachte Umstand, beim Antragsteller habe zwischenzeitlich (seit dem Vorfall im November 2014) ein Reifeprozess stattgefunden, verlangt keine abweichende Einschätzung.
17
Unterliegt danach die Bewertung des Antragsgegners keinen durchgreifenden Bedenken, kann offen bleiben, ob das Verwaltungsgericht darüber hinaus Eignungszweifel mit Blick auf eine „überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung durch normabweichende Trinkgewohnheiten“ annehmen durfte.
18
Schließlich sind die beiden Ermittlungsverfahren bei der Eignungsbewertung berücksichtigungsfähig, obgleich – worauf die Beschwerde verweist – gemäß § 51 Abs. 1 BZRG Taten nicht mehr im Rechtsverkehr zum Nachteil des von einer Verurteilung Betroffenen verwertet werden dürfen, wenn eine Eintragung getilgt worden ist oder zu tilgen ist. Entgegen der Auffassung des Antragstellers folgt die mangelnde Berücksichtigungfähigkeit nicht aus einem „Erst-Recht-Schluss“, wenn die Taten wegen geringer Schwere der Schuld nicht einmal einzutragen sind. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut betrifft die Regelung nur tilgungsfähige, also im Register eingetragene Verurteilungen. Aber auch für eine entsprechende Anwendung ist mangels Regelungslücke und Vergleichbarkeit der Interessenlage kein Raum. Die Vorschrift soll nach ihrem Sinn und Zweck nur für Verurteilungen gelten, da sie die Resozialisierung von verurteilten Straffälligen fördern will und den Betroffenen nach dem Willen des Gesetzgebers endgültig vom Strafmakel der Verurteilung befreien soll. Diesen Strafmakel gibt es bei eingestellten Ermittlungsverfahren aber gerade nicht.
19
Vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27.11.08, a.a.O., juris, Rn. 11; OVG Meckl.-Vorp., Beschluss vom 12.09.07 – 2 M 159/07 –, Rn. 12; VG Berlin, Beschluss vom 01.12.16 – 26 L 227.16 –, juris, Rn. 21; vgl. auch zur Verwertbarkeit bei Widerruf der Approbation BVerwG, Beschluss vom 28.04.1998 – 3 B 174.97 –, juris, Rn. 4; sowie OVG NRW, Beschluss vom 29.04.09 – 6 B 415/09 –, juris, Rn. 5, zu nicht in das Bundeszentralregister aufzunehmende Verurteilungen.
20
Gegen die entsprechende Anwendung spricht schließlich auch, dass sich mangels Verurteilung der Lauf der Tilgungsfrist bereits nicht berechnen ließe.
Vorinstanz: Verwaltungsgericht Aachen, 1 L 760/17
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e :
4
Das Verwaltungsgericht hat den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung, den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller einen Ausbildungsplatz für die Ausbildung zum gehobenen Polizeivollzugsdienst im Land Nordrhein-Westfalen im Einstellungsjahrgang 2017 freizuhalten, bis über seine Bewerbung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden ist, mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs abgelehnt. Mit der begehrten Regelung träte eine Vorwegnahme der Hauptsache ein. Die in diesem Fall gesteigerten Anforderungen an das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs, wonach ein hoher Grad der Wahrscheinlichkeit dafür sprechen müsse, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch begründet sei, lasse sich nicht feststellen. Der Ausschluss des Antragstellers vom weiteren Bewerbungsverfahren sei rechtlich nicht zu beanstanden.
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Die mit der Beschwerde dagegen erhobenen Einwendungen führen nicht zum Erfolg des Antrags.
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Dem Antragsteller ist zunächst zuzugeben, dass angesichts der Formulierung seines Antrags, der ausdrücklich lediglich auf die (vorläufige) Freihaltung eines Ausbildungsplatzes gerichtet ist, nichts für eine Vorwegnahme der Hauptsache (Einstellung in den Polizeivollzugsdienst bzw. Fortsetzung des Bewerbungsverfahrens) ersichtlich ist.
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Der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsanspruch ist indes auch dann nicht glaubhaft gemach, wenn – anders als vom Verwaltungsgericht angenommen – an dessen Vorliegen keine gesteigerten Anforderungen gestellt werden. Die Entscheidung des Antragsgegners, die Bewerbung des Antragstellers um Einstellung in den gehobenen Polizeivollzugsdienst (im Jahr 2017) wegen Zweifeln an dessen charakterlicher Eignung nicht zu berücksichtigen (Bescheid vom 08.03.17), ist rechtlich nicht zu beanstanden.
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In diesem Zusammenhang geht die Beschwerde weiter zutreffend davon aus, dass der Antragsgegner seine Zweifel an der charakterlichen Eignung des Antragstellers – anders als in der verwaltungsgerichtlichen Prüfung zugrunde gelegt – in erster Linie auf die gegen den Antragsteller gerichteten Strafverfahren wegen Beleidigung auf sexueller Basis und wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort bzw. auf die diesen Verfahren zu Grunde liegenden Sachverhalte stützt und allenfalls ergänzend darauf, dass der Antragsteller im Bewerbungsverfahren ein gegen ihn gerichtetes Strafverfahren verschwiegen hat; letzteren Umstand erwähnt der Antragsgegner lediglich im Zusammenhang mit der Bewertung der Verkehrsunfallflucht.
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Gleichwohl ist auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nicht festzustellen, dass der Antragsgegner den Antragsteller zu Unrecht vom weiteren Bewerbungsverfahren ausgeschlossen hat. Die beiden gegen den Antragsteller gerichteten Strafverfahren bzw. die diesen Verfahren zugrunde liegenden Vorfälle bzw. Verhaltensweisen tragen die vom Antragsgegner angenommenen Zweifel an der charakterlichen Eignung des Antragstellers. Die vom Dienstherrn vorzunehmende Beurteilung der für den Polizeivollzugsdienst erforderlichen charakterlichen Eignung ist ein Akt wertender Erkenntnis, der vom Gericht nur beschränkt darauf zu überprüfen ist, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff verkannt, einen unrichtigen Sachverhalt zu Grunde gelegt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachwidrige Erwägungen angestellt hat.
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Etwa BVerwG, Urteil vom 30.01.03 – 2 A 1.02 –, juris.
11
Dafür ist hier nichts ersichtlich.
12
Mit seinem Einwand, der Antragsgegner gehe in Bezug auf den Vorfall der Verkehrsunfallflucht ebenso wie das Verwaltungsgericht von einem unzutreffenden Sachverhalt aus, weil das Verkehrsschild beim Verlassen der Unfallstelle entgegen den Annahmen des Antragsgegners noch nicht vollständig abgeknickt gewesen sei, dringt der Antragsteller nicht durch. Der Antragsgegner führt den Umstand, dass das Schild (vollständig) abgeknickt gewesen sei, in erster Linie zum Beleg dafür an, dass es sich nicht nur um eine geringfügige Einwirkung durch das Fahrzeug des Antragstellers gehandelt haben könnte. Dafür ist es aber irrelevant, ob es bereits beim Verlassen der Unfallstelle vollständig abgeknickt war oder – wie vom Antragsteller geltend gemacht – möglicherweise erst später „aufgrund der Lockerung durch den Verkehrsunfall von selbst umgefallen“ oder „durch spielende Kinder zum Umfallen gebracht“ worden ist. Es liegt auf der Hand, dass beides nur möglich ist, wenn eine erhebliche Vorschädigung (durch den Unfall) vorgelegen hat. Im Übrigen weist auch der Antragsgegner lediglich darauf hin, dass das Schild (jedenfalls) auf den Bildern der Ermittlungsakte ganz am Boden gelegen habe. Unabhängig davon hat der Antragsteller selbst im damaligen Ermittlungsverfahren in seinem Schreiben vom 7.09.13 noch geäußert, dass das Schild nicht auf der Straße gelegen habe.
13
Auch sonst liegt keine Überschreitung des Bewertungsspielraums darin, dass der Antragsgegner seine Einschätzung mangelnder Eignung auch auf das unerlaubte Entfernen vom Unfallort gestützt hat. Der Antragsgegner verweist in diesem Zusammenhang beanstandungsfrei darauf, dass der Antragsteller als Polizeibeamter zu einem Verhalten verpflichtet ist, das der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, das der Beruf erfordert. Es gehört zu den Kernaufgaben des Polizeivollzugsdienstes, Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zu verhindern und zu verfolgen, so dass Verstöße in diesem Bereich grundsätzlich geeignet sind, Zweifel an der persönlichen Eignung des Bewerbers zu begründen.
14
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18.10.13 – 1 B 1131/13 –, juris, Rn. 19; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27.11.08 – 4 S 2332/08 –, juris, Rn. 7.
15
Vor diesem Hintergrund begründen auch die von der Beschwerde angeführten Umstände, dass der Antragsteller zum damaligen Zeitpunkt erst 20 Jahre alt gewesen sei, keine besondere kriminelle Energie gezeigt und den Verkehrsunfall wenig später von sich aus gemeldet habe, nicht die Rechtsfehlerhaftigkeit der Eignungseinschätzung. Im Übrigen ändert die spätere (nach 80 Minuten erfolgte) telefonische Meldung des Unfalls nichts an der Verwirklichung des Straftatbestandes. Soweit der Antragsteller darauf verweist, er habe kein Mobiltelefon dabei gehabt, ist nicht nachvollziehbar, weshalb er insoweit nicht andere Verkehrsteilnehmer hätte ansprechen können. Die Argumentation des Antragsgegners, es wäre dem Antragsteller im Zeitalter von Mobiltelefonen durchaus zuzutrauen gewesen, den Unfall vorher zu melden, trifft daher auf keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
16
Eine rechtsfehlerhafte Beurteilung der (mangelnden) charakterlichen Eignung des Antragstellers lässt sich ferner nicht feststellen, soweit der Antragsgegner sich auf die Beleidigung auf sexueller Basis bzw. das entsprechende Strafverfahren stützt. Die Beschwerde macht geltend, es sei mit Blick auf die beim (Atem-)Alkoholtest ermittelte Alkoholkonzentration von 1,84 Promille vermutlich von einer verringerten Schuldfähigkeit, wenn nicht sogar einer Schuldunfähigkeit auszugehen; das Oberverwaltungsgericht habe insoweit bereits entschieden, dass Verhaltensweisen, bei denen nicht auszuschließen sei, dass der Bewerber im Zustand der Schuldunfähigkeit gehandelt habe, nicht für die Annahme einer charakterlichen Nichteignung herangezogen werden könnten. Mit diesem Vorbringen verkennt die Beschwerde bereits, dass der Senat eine generelle Aussage dieses Inhalts nicht getroffen hat. Eine solche Aussage lässt sich auch nicht dem Senatsbeschluss vom 13.10.11 – 6 B 1164/11 – entnehmen, auf den sie sich damit möglicherweise berufen will. Der diesem Verfahren zugrunde liegende Sachverhalt war davon gekennzeichnet, dass der Dienstherr dem Einstellungsbewerber einen nicht angemessenen Umgang mit Konflikten sowie ausdrücklich ein „bewusstes“ Hineinbewegen in „gesetzliche und rechtliche Randzonen und Grenzbereiche“ vorgeworfen hatte und zudem davon ausgegangen war, dass der Beamte „zum Einsatzzeitpunkt zeitlich und örtlich absolut orientiert“ gewesen sei, obwohl ausweislich der Verwaltungsakte der Alkoholtest aufgrund der Alkoholisierung (Atemalkoholgehalt von 1,14 mg/l) erst nach „zweimaligem Versuch“ erfolgreich und es dem Bewerber nicht möglich gewesen war, sich die Namen der eingesetzten Beamten zu merken, die ihm auf sein Verlangen mehrfach genannt worden waren. Eine solche Argumentation, die tatsächliche Ungereimtheiten enthält und auch auf rechtliche Bedenken stößt, nimmt der Antragsgegner hier nicht vor. Der Antragsgegner verweist in dem Bescheid vom 08.03.17 ausdrücklich auf das Anhörungsschreiben vom 16.02.17. Darin hatte er auf das (dem Strafverfahren zu Grunde liegende) tatsächliche Geschehen Bezug genommen und bewertet, wobei er sowohl den alkoholisierten Zustand des Antragstellers als auch dessen sonstige Einlassungen zum Geschehensablauf in seine Erwägungen mit einbezogen hatte. Entgegen der Auffassung des Antragstellers sind sexuell beleidigende Verhaltensweisen (hier: einem Mädchen in den Schritt gefasst), auch wenn sie möglicherweise im Zustand der verminderten Schuldunfähigkeit oder der Schuldunfähigkeit vorgenommen worden sind, im Grundsatz geeignet, Zweifel an der charakterlichen Eignung eines Bewerbers mit zu stützen. Allein der von der Beschwerde geltend gemachte Umstand, beim Antragsteller habe zwischenzeitlich (seit dem Vorfall im November 2014) ein Reifeprozess stattgefunden, verlangt keine abweichende Einschätzung.
17
Unterliegt danach die Bewertung des Antragsgegners keinen durchgreifenden Bedenken, kann offen bleiben, ob das Verwaltungsgericht darüber hinaus Eignungszweifel mit Blick auf eine „überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung durch normabweichende Trinkgewohnheiten“ annehmen durfte.
18
Schließlich sind die beiden Ermittlungsverfahren bei der Eignungsbewertung berücksichtigungsfähig, obgleich – worauf die Beschwerde verweist – gemäß § 51 Abs. 1 BZRG Taten nicht mehr im Rechtsverkehr zum Nachteil des von einer Verurteilung Betroffenen verwertet werden dürfen, wenn eine Eintragung getilgt worden ist oder zu tilgen ist. Entgegen der Auffassung des Antragstellers folgt die mangelnde Berücksichtigungfähigkeit nicht aus einem „Erst-Recht-Schluss“, wenn die Taten wegen geringer Schwere der Schuld nicht einmal einzutragen sind. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut betrifft die Regelung nur tilgungsfähige, also im Register eingetragene Verurteilungen. Aber auch für eine entsprechende Anwendung ist mangels Regelungslücke und Vergleichbarkeit der Interessenlage kein Raum. Die Vorschrift soll nach ihrem Sinn und Zweck nur für Verurteilungen gelten, da sie die Resozialisierung von verurteilten Straffälligen fördern will und den Betroffenen nach dem Willen des Gesetzgebers endgültig vom Strafmakel der Verurteilung befreien soll. Diesen Strafmakel gibt es bei eingestellten Ermittlungsverfahren aber gerade nicht.
19
Vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27.11.08, a.a.O., juris, Rn. 11; OVG Meckl.-Vorp., Beschluss vom 12.09.07 – 2 M 159/07 –, Rn. 12; VG Berlin, Beschluss vom 01.12.16 – 26 L 227.16 –, juris, Rn. 21; vgl. auch zur Verwertbarkeit bei Widerruf der Approbation BVerwG, Beschluss vom 28.04.1998 – 3 B 174.97 –, juris, Rn. 4; sowie OVG NRW, Beschluss vom 29.04.09 – 6 B 415/09 –, juris, Rn. 5, zu nicht in das Bundeszentralregister aufzunehmende Verurteilungen.
20
Gegen die entsprechende Anwendung spricht schließlich auch, dass sich mangels Verurteilung der Lauf der Tilgungsfrist bereits nicht berechnen ließe.
Dort geht es um die Berücksichtigung länger zurückliegender, im Strafregister bereits getilgter Jugendstrafe (Freizeitarrest).