Psychische Belastung durch Dienstunfall, Posttraumatische Belastungsstörung PTBS
Psychische Probleme von Lokführern nach Dienstunfällen (PTBS)
Nicht zuletzt die Lokführer haben es in diesem Zusammenhang schwer.Entscheidung des Verwaltungsgerichts Münster vom 28.09.06, Az.: 11 K 2651/04
"Leidet ein Lokführer aufgrund mehrerer Dienstunfälle an einer posttraumatischen Belastungsstörung, welche durch ein medizinisches Gutachten bestätigt wird, steht ihm grundsätzlich ein Anspruch auf Kostenübernahme für eine Heilkur zu."Ein Lokführer hatte zwischen 1975 und 2002 mehrere dramatische Unfälle erlebt.
Anfang 2003 begab er sich wegen zunehmender psychischer Beschwerden in die Behandlung einer Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie. In deren Bericht über die Untersuchung und Behandlung des Beamten heißt es u. a.: "In der Anamneseerhebung werden Belastungsfaktoren durch die berufliche Situation erkennbar. So berichtet Herr W. über drei Suizide auf der Bahnstrecke ... Diese Zwischenfälle seien ihm heute noch sehr lebendig, er sehe die Ereignisse vor sich, träume davon, könne die Bilder nicht abschalten ... Aus psychiatrischer Sicht handelt es sich um eine posttraumatische Belastungsstörung im Sinne einer verzögerten und/oder protrahierten Reaktion auf belastende Ereignisse oder Situationen in der Lebensgeschichte des Betroffenen, die eine nachhaltige seelische Störung hervorgerufen haben ... Die Durchführung einer psychosomatisch- psychotherapeutischen Rehabilitationsmaßnahme erscheint ... unbedingt angezeigt."
Der Lokführer musste sich eine Heilbehandlung dann aber erst vor Gericht erstreiten.
Das VG Münster meint:
"Entgegen der Auffassung der Beklagten waren die durchgeführten Heilverfahren dienstunfallbedingt erforderlich, weil sie der Therapie einer posttraumatischen Belastungsstörung des Klägers dienten, die aus von ihm namentlich in den Jahren 1993, 1996 und 1997 erlittenen - anerkannten - Dienstunfällen resultiert (vgl. § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG).
Dies ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus einer Gesamtschau der von den den Kläger behandelnden Ärzten und Therapeuten - überwiegend unabhängig vom vorliegenden Verfahren - erhobenen Befunde und verfassten Behandlungsberichte. Die von den Vorgenannten getroffenen Feststellungen sind nach Auffassung des Gerichts schlüssig, nachvollziehbar und frei von durchgreifenden Bedenken. Zudem beruhen die genannten Berichte und Stellungnahmen zum Teil auf mehrwöchigen bzw. mehrmonatigen Behandlungen und Beobachtungen, basieren im Gegensatz zu den Feststellungen von Frau Dr. L. also nicht lediglich auf einer Momentaufnahme. Vor diesem Hintergrund vermögen deren Stellungnahmen das Gericht insgesamt nicht zu überzeugen. Dessen ungeachtet leidet die Stellungnahme von Frau Dr. L. vor allem aber auch daran, dass sie offenbar davon ausgeht, eine dienstunfallbedingte posttraumatische Belastungsstörung lasse sich im Falle des Klägers schon wegen des erheblichen zeitlichen Abstandes zwischen den Unfällen - vor allem demjenigen aus 1996 - und dem Auftreten der psychischen Erkrankung nicht begründen. Ungeachtet des Umstandes, dass diesbezüglich schon im Entlassungsbericht der Klinik C1. vom 01.07.03 ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass die Entwicklung der beim Kläger vorhandenen posttraumatischen Belastungsstörung schon 1993 begonnen habe, ist in der psychotherapeutischen Medizin und Psychosomatik anerkannt, dass die Symptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung auch mit zum Teil mehrjähriger Verzögerung nach dem traumatischen Geschehen auftreten kann.
Vgl. die gemeinsamen „Leitlinien Psychotherapeutischen Medizin und Psychosomatik" der Deutschen Gesellschaft für Psychotherapeutische Medizin, der Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie, des Deutschen Kollegiums für Psychosomatische Medizin, der Allgemeinen Ärztlichen Gesellschaft für Psychotherapie und der Deutschsprachigen Gesellschaft für Psychotraumatologie (Stand: 2006).
Soweit Frau Dr. L. ferner noch die Auffassung vertritt, dass gegen einen Zusammenhang der psychischen Erkrankung des Klägers „mit dem Unfall" auch deren Verlauf nach Beginn der Behandlung spricht, weil die Therapie den Zustand des Klägers noch ganz erheblich verschlechtert habe, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Ungeachtet aller weiteren Zweifelsfragen in diesem Zusammenhang entspricht es schon allgemeiner Lebenserfahrung, dass nicht jede Therapie umgehend zum gewünschten Behandlungserfolg führt, sich der Gesundheitszustand u. U. sogar noch verschlechtern kann. Der Klage ist hiernach stattzugeben."
Wie Sie an dem Urteil deutlich sehen, ist auch in Fällen dieser Art durch medizinisches Sachverständigengutachten abzugrenzen zwischen schon bestehendem Leiden oder besonderer Leidensbereitschaft einerseits und unfallbedingter Beeinträchtigung andererseits.
Auch hier geht es also um Fragen der Kausalität.
Was ist die wesentliche Teilursache für die psychischen Probleme?
Ähnlich schwerwiegende Folgen wie in dem vorgestellten Beispiel des Lokführers können sich ergeben bei Schusswaffengebrauch durch Polizeibeamte, Auseinandersetzungen mit einem bewaffneten Rechtsbrecher, dramatischen Einsätzen der Feuerwehrbeamten ...
Bemessung der Schädigungsfolgen (MdE - Minderung der Erwerbsfähigkeit, GdS - Grad der Schädigungsfolgen)
Oft halten es sogar Gutachter für schwierig, die Höhe des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) infolge einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) zu beurteilen.Bad Pyrmonter Klassifikation von psychischen Traumafolgen
Auf einer Konferenz im März 2006 wurden u. a. von 40 Polizeiärzten aus unterschiedlichen Bundesländern Auswirkungen von schweren, potenziell traumatisierenden Belastungen auf die Polizeidienstfähigkeit und die allgemeine Dienstfähigkeit diskutiert. Es wurde eine „Bad Pyrmonter Klassifikation von psychischen Traumafolgen“ erarbeitet, die sich als eine Hilfestellung versteht und zur Vereinheitlichung der gutachterlichen Einschätzung eines Grades der Schädigungsfolgen bei einer PTBS dienen möchte.Ein Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.08.14 (2 B 43.14) befasst sich mit der Bedeutung der sog. Bad Pyrmonter Klassifikation für Bemessung der MdE bei PTBS.
Die Bad Pyrmonter Klassifikation ist aber keinesfalls unumstritten.
Kontrovers diskutierte Fälle psychischer Beeinträchtigung
Aufsehen hat eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf erregt, in der es darum ging, dass einem Beamten eine Email mit einem abstoßenden Foto als Inhalt zugesandt worden war.Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 02.11.10 - 23 K 5235/07 -
1. Das Öffnen einer E-Mail und eines Dateianhangs, die ihm im Dienst auf dienstlichen Computern von seinem Vorgesetzten geschickt worden war, durch einen Polizisten ist ein plötzliches, auf äußerer Einwirkung beruhendes, in zeitlicher und örtlicher Hinsicht bestimmbares Ereignis, das in Ausübung des Dienstes eingetreten ist.2. Eine psychische Erkrankung kann ein Körperschaden i.S.d. § 31 Absatz 1 BeamtVG sein.
3. Einzelfall, in dem das Gericht aufgrund eines Sachverständigengutachtens zu dem Ergebnis kam, dass bei dem Beamten durch eine ihm durch seinen Vorgesetzten zugesandte E-Mail mit Dateinanhang sexuellen Inhalts, die in einer abstoßenden Bilddarstellung weiblicher Geschlechtsorgane gipfelte, eine Zwangsstörung mit vorwiegend Zwangsgedanken (ICD 10: F 42.0) wesentlich verursacht worden ist.
Bekannt wurden weitere Fälle, in denen Beamte den Verlauf eines Personalgesprächs (VG Stuttgart, Urteil vom 09.04.14 - 12 K 998/13 -, VG Bayreuth, Urteil vom 11.11.14 - B 5 K 12.947) bzw. die Mitteilung des Ergebnisses einer medizinischen Untersuchung (VG Schleswig, Urteil vom 08.01.15 - 12 A 79/14) als Unfallgeschehen anerkannt sehen wollten.
Ein Hinweis: In Mobbingfällen werden wir nicht tätig.
Besondere Schwierigkeiten in der Bewertung bereiten psychische Störungen infolge von "Mobbing".In Mobbingfällen werden wir nicht tätig. Bitte sehen Sie von Anfragen ab.