Dienstunfall - Poizeibeamter versetzt sich selbst in den Dienst
Zwei Fälle, der erste führt zur Anerkennung eines Dienstunfalles, der zweite nicht.
Dabei setzt sich die zweite Entscheidung gründlicher mit den Voraussetzungen für ein wirksames "Indienstversetzen" auseinander.
Verwaltungsgericht Neustadt, Urteil vom 17. Februar 2021 – 1 K 354/20.NW –
Pressemitteilung des Gerichts Nr. 10/21 vom 31.03.2021
Polizist versetzt sich bei tätlichem Angriff selbst in den Dienst: Dienstunfall muss anerkannt werden
Das Verwaltungsgericht Neustadt/Weinstraße hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17. Februar 2021 der Klage eines Polizeibeamten stattgegeben und das beklagte Land Rheinland-Pfalz verpflichtet, einen Dienstunfall anzuerkennen, nachdem sich der Beamte selbst „in den Dienst versetzt“ hatte.
Folgender Sachverhalt lag zugrunde:
Der Polizeibeamte war außerhalb seiner Dienstzeit als Privatmann mit seiner Lebensgefährtin unterwegs.
Diese wurde, als sie mit dem Auto auf einem Feldweg auf den Kläger wartete, von anderen Personen verbal angegriffen und beleidigt. Der hinzueilende Kläger versuchte zunächst zu schlichten, die Lage eskalierte aber weiter. Er gab sich sodann als Polizeibeamter zu erkennen und wollte die Personalien der anderen Personen aufnehmen, um die Beleidigungen gegenüber seiner Lebensgefährtin zur Strafanzeige zu bringen.
Im weiteren Verlauf der fortdauernden und zunehmend aggressiven Auseinandersetzung fuhr einer der beteiligten Männer mit seinem PKW auf den Polizisten zu, verletzte ihn hierdurch am Bein und versetzte ihm im Anschluss einen Faustschlag seitlich von hinten gegen den Kopf, wofür er später strafgerichtlich wegen Körperverletzung verurteilt wurde. Der Beamte war kurz bewusstlos, seine Lebensgefährtin rief mit ihrem Mobiltelefon eine Polizeistreife herbei, die nach ihrem Eintreffen die weitere Bearbeitung übernahm.
Der Kläger trug von dem Ereignis mehrere Verletzungen davon und beantragte bei seinem Dienstherrn, dem Land Rheinland-Pfalz, den Vorfall als Dienstunfall anzuerkennen. In diesem Fall steht ihm unter anderem ein Anspruch auf Erstattung der Heilbehandlungskosten als Dienstunfallfürsorgeleistung des Landes zu. Das Land lehnte die Anerkennung eines Dienstunfalls ab mit der Begründung, der Streit habe im privaten Bereich stattgefunden, der Kläger sei nicht im Dienst gewesen. Es habe auch keine Situation vorgelegen, die sein sofortiges Einschreiten als Polizeibeamter erforderlich gemacht hätte. Eine Gefahr in Verzug habe nicht bestanden. Der Kläger hätte deeskalierend handeln und wegen der Beleidigungen gegen seine Lebensgefährtin die zuständige Polizeidienststelle verständigen können. Da er sich aus diesen Gründen nicht wirksam selbst in den Dienst versetzt habe, liege auch kein Dienstunfall vor.
Der Kläger erhob gegen diese Entscheidung nach erfolgloser Durchführung eines Widerspruchsverfahrens Klage beim Verwaltungsgericht und trug vor, er habe sich wegen des immensen Aggressionspotentials der damaligen Auseinandersetzungen als Polizeibeamter zu erkennen gegeben, zu dem Zweck, die Straftaten einzudämmen, weitere zu verhindern und notwendige Feststellungen zu treffen. Zumindest von dem Beteiligten, der sein Fahrzeug als Waffe eingesetzt und ihn geschlagen habe, sei eine unmittelbare Gefahr ausgegangen. Deshalb sei er berechtigt gewesen, nicht auf das Eintreffen einer Polizeistreife zu warten, sondern sich selbst als Polizeibeamter in den Dienst zu versetzen.
Die zuständige 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Neustadt folgte der Auffassung des Klägers und führt dazu in ihrem Urteil im Einzelnen aus: Ein Dienstunfall könne auch dann vorliegen, wenn sich ein Beamter, der sich im Zeitpunkt des Unfallgeschehens nicht im Dienst befunden habe, wirksam in den Dienst versetze und ein enger Zusammenhang zwischen dem Dienst und dem Unfall bestehe. Der Beamte befinde sich dann in Ausübung des Dienstes, wenn er aufgrund eigenen Entschlusses aus triftigen und objektiv nachprüfbaren Gründen eine für diesen Zeitpunkt und an diesem Ort nicht vorgeschriebene dienstliche Handlung vornehme. Das gelte auch für Polizeivollzugsbeamte, wenn sie zum Zweck der Verbrechensbekämpfung oder der Gefahrenabwehr einschritten, und zwar unabhängig davon, ob sie gerade Uniform trügen oder nicht.
Für die Kammer stehe fest, dass sich der Kläger nach diesen Maßstäben wirksam selbst in den Dienst versetzt habe. Das ergebe sich aufgrund seiner umfassenden und glaubhaften Angaben im Rahmen der polizeilichen Vernehmung zu dem Vorfall sowie seiner Zeugenvernehmung in der Verhandlung des Strafgerichts wegen Körperverletzung gegen den anderen Beteiligten. Der Kläger sei damals aus objektiv nachprüfbar triftigen Gründen berechtigt gewesen, sich in den Dienst zu versetzen. Zur Aufgabe der Polizei im Rahmen der Gefahrenabwehr gehöre auch das Verhindern oder Ahnden von Vergehen wie Beleidigungen. Es habe insgesamt eine aggressive, aufgeheizte Situation vorgelegen, deren Ausgang für den Beamten zum Zeitpunkt seines Einschreitens nicht absehbar gewesen sei. Dass er durchaus ein privates Interesse an der Verhinderung weiterer Beleidigungen gegenüber seiner Lebensgefährtin gehabt habe, ändere an dieser Bewertung nichts, weil jedenfalls auch eine gleichwertige dienstliche Pflicht zum Einschreiten als Polizeibeamter bestanden habe, in der Hoffnung, dass sich die Lage beruhige, wenn er sich als solcher zu erkennen gebe.
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts kann innerhalb eines Monats nach Zustellung ein Antrag auf Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz gestellt werden.
Pressemitteilung des Gerichts Nr. 10/21 vom 31.03.2021
Polizist versetzt sich bei tätlichem Angriff selbst in den Dienst: Dienstunfall muss anerkannt werden
Das Verwaltungsgericht Neustadt/Weinstraße hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17. Februar 2021 der Klage eines Polizeibeamten stattgegeben und das beklagte Land Rheinland-Pfalz verpflichtet, einen Dienstunfall anzuerkennen, nachdem sich der Beamte selbst „in den Dienst versetzt“ hatte.
Folgender Sachverhalt lag zugrunde:
Der Polizeibeamte war außerhalb seiner Dienstzeit als Privatmann mit seiner Lebensgefährtin unterwegs.
Diese wurde, als sie mit dem Auto auf einem Feldweg auf den Kläger wartete, von anderen Personen verbal angegriffen und beleidigt. Der hinzueilende Kläger versuchte zunächst zu schlichten, die Lage eskalierte aber weiter. Er gab sich sodann als Polizeibeamter zu erkennen und wollte die Personalien der anderen Personen aufnehmen, um die Beleidigungen gegenüber seiner Lebensgefährtin zur Strafanzeige zu bringen.
Im weiteren Verlauf der fortdauernden und zunehmend aggressiven Auseinandersetzung fuhr einer der beteiligten Männer mit seinem PKW auf den Polizisten zu, verletzte ihn hierdurch am Bein und versetzte ihm im Anschluss einen Faustschlag seitlich von hinten gegen den Kopf, wofür er später strafgerichtlich wegen Körperverletzung verurteilt wurde. Der Beamte war kurz bewusstlos, seine Lebensgefährtin rief mit ihrem Mobiltelefon eine Polizeistreife herbei, die nach ihrem Eintreffen die weitere Bearbeitung übernahm.
Der Kläger trug von dem Ereignis mehrere Verletzungen davon und beantragte bei seinem Dienstherrn, dem Land Rheinland-Pfalz, den Vorfall als Dienstunfall anzuerkennen. In diesem Fall steht ihm unter anderem ein Anspruch auf Erstattung der Heilbehandlungskosten als Dienstunfallfürsorgeleistung des Landes zu. Das Land lehnte die Anerkennung eines Dienstunfalls ab mit der Begründung, der Streit habe im privaten Bereich stattgefunden, der Kläger sei nicht im Dienst gewesen. Es habe auch keine Situation vorgelegen, die sein sofortiges Einschreiten als Polizeibeamter erforderlich gemacht hätte. Eine Gefahr in Verzug habe nicht bestanden. Der Kläger hätte deeskalierend handeln und wegen der Beleidigungen gegen seine Lebensgefährtin die zuständige Polizeidienststelle verständigen können. Da er sich aus diesen Gründen nicht wirksam selbst in den Dienst versetzt habe, liege auch kein Dienstunfall vor.
Der Kläger erhob gegen diese Entscheidung nach erfolgloser Durchführung eines Widerspruchsverfahrens Klage beim Verwaltungsgericht und trug vor, er habe sich wegen des immensen Aggressionspotentials der damaligen Auseinandersetzungen als Polizeibeamter zu erkennen gegeben, zu dem Zweck, die Straftaten einzudämmen, weitere zu verhindern und notwendige Feststellungen zu treffen. Zumindest von dem Beteiligten, der sein Fahrzeug als Waffe eingesetzt und ihn geschlagen habe, sei eine unmittelbare Gefahr ausgegangen. Deshalb sei er berechtigt gewesen, nicht auf das Eintreffen einer Polizeistreife zu warten, sondern sich selbst als Polizeibeamter in den Dienst zu versetzen.
Die zuständige 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Neustadt folgte der Auffassung des Klägers und führt dazu in ihrem Urteil im Einzelnen aus: Ein Dienstunfall könne auch dann vorliegen, wenn sich ein Beamter, der sich im Zeitpunkt des Unfallgeschehens nicht im Dienst befunden habe, wirksam in den Dienst versetze und ein enger Zusammenhang zwischen dem Dienst und dem Unfall bestehe. Der Beamte befinde sich dann in Ausübung des Dienstes, wenn er aufgrund eigenen Entschlusses aus triftigen und objektiv nachprüfbaren Gründen eine für diesen Zeitpunkt und an diesem Ort nicht vorgeschriebene dienstliche Handlung vornehme. Das gelte auch für Polizeivollzugsbeamte, wenn sie zum Zweck der Verbrechensbekämpfung oder der Gefahrenabwehr einschritten, und zwar unabhängig davon, ob sie gerade Uniform trügen oder nicht.
Für die Kammer stehe fest, dass sich der Kläger nach diesen Maßstäben wirksam selbst in den Dienst versetzt habe. Das ergebe sich aufgrund seiner umfassenden und glaubhaften Angaben im Rahmen der polizeilichen Vernehmung zu dem Vorfall sowie seiner Zeugenvernehmung in der Verhandlung des Strafgerichts wegen Körperverletzung gegen den anderen Beteiligten. Der Kläger sei damals aus objektiv nachprüfbar triftigen Gründen berechtigt gewesen, sich in den Dienst zu versetzen. Zur Aufgabe der Polizei im Rahmen der Gefahrenabwehr gehöre auch das Verhindern oder Ahnden von Vergehen wie Beleidigungen. Es habe insgesamt eine aggressive, aufgeheizte Situation vorgelegen, deren Ausgang für den Beamten zum Zeitpunkt seines Einschreitens nicht absehbar gewesen sei. Dass er durchaus ein privates Interesse an der Verhinderung weiterer Beleidigungen gegenüber seiner Lebensgefährtin gehabt habe, ändere an dieser Bewertung nichts, weil jedenfalls auch eine gleichwertige dienstliche Pflicht zum Einschreiten als Polizeibeamter bestanden habe, in der Hoffnung, dass sich die Lage beruhige, wenn er sich als solcher zu erkennen gebe.
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts kann innerhalb eines Monats nach Zustellung ein Antrag auf Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz gestellt werden.
VG Potsdam, Urteil vom 25.08.2020 - VG 2 K 3884/17 –
Das unter Einhaltung der Frist des § 47 Abs. 1 Brandenburgisches Beamtenversorgungsgesetz (BbgBeamtV) gemeldete Geschehen vom 29. November 2014 stellt keinen Dienstunfall dar.
Nach der Legaldefinition des § 45 Abs. 1 BbgBeamtVG ist ein Dienstunfall ein auf äußere Einwirkungen beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder in Folge des Dienstes eingetreten ist. Ein Dienstunfall kann dabei auch vorliegen, wenn sich ein Beamter, der sich zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens nicht im Dienst befand, wirksam in den Dienst versetzt hat und ein enger Zusammenhang zwischen dem Dienst und dem Unfall besteht. Auch Polizeivollzugsbeamte sind hierzu berechtigt, wenn sie Zwecke der Verbrechensbekämpfung oder der Gefahrenabwehr verfolgen,
vgl. Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, 10. Auflage, § 14 Dienstunfall Rn. 36 m.w.N.
Ein äußeres, den Dienstunfall verursachendes Ereignis kann dabei nicht nur ein physisch auf den Körper des Beamten einwirkendes Ereignis sein, sondern auch ein solches, das nur mittelbar krankhafte Vorgänge im Körper auslöst, etwa durch die Verursachung eines seelischen Schocks.
vgl. BVerwG, Urteil vom 9. April 1970 - 2 C 49.68 -, juris Rn. 14.
Vorliegend ist ein auf äußere Einwirkungen beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares Geschehen i.S.d. Norm gegeben. Es fehlt jedoch die erforderliche Dienstbezogenheit. Der Kläger, der dienstfrei hatte, hat sich nicht wirksam selbst in den Dienst versetzt.
Dienstunfallrechtliche Ansprüche vermag nur ein rechtlich anzuerkennendes, d.h. wirksames Sich-in-den-Dienst-Versetzen auszulösen. Andernfalls hätte es der konkret handelnde Beamte in der Hand, ein ausschließlich oder zumindest überwiegend privat motiviertes Verhalten in den unfallrechtlichen Schutzbereich einzubeziehen und auf diese Weise die mit seinem Handeln verbundenen Risiken auf den Dienstherrn abzuwälzen. Ein wirksames Sich-in-den-Dienst-Versetzen setzt deshalb zunächst voraus, dass das Verhalten im Rahmen des Amtes oder des dienstlichen Auftrags des Beamten liegt, d.h. dass es nach objektiver Betrachtungsweise maßgeblich durch die Erfordernisse des für diesen Beamten typischen Dienstes geprägt und in diesem Sinne „in den Bann des Dienstes einbezogen“ ist,
vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Februar 1971 - VI C 36.66 -, juris Rn. 19; VG Würzburg, Urteil vom 3. März 2015 - W 1 K 13.366 -, juris Rn. 22; VG Bayreuth, Urteil vom 19. April 2013 - B 5 K 11.632 -, juris Rn. 19.
Die Feststellung, dass der Beamte, sich wirksam in den Dienst versetzt hat, setzt ferner neben seiner diesbezüglichen subjektiven Vorstellung voraus, dass besondere, objektiv erkennbare Tatsachen gegeben sind, die einen Schluss auf den Willen des Beamten, in Ausübung des Dienstes zu handeln, rechtfertigen und den notwendigen Zusammenhang zwischen der jeweiligen Tätigkeit des Beamten und den typischen Anforderungen seines Amtes belegen,
vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 13. Januar 2010 - 23 K 2664/99 -, juris Rn. 23.
Maßgeblich ist weiter, wodurch das Unfallgeschehen seine maßgebliche Prägung erfährt,
vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Februar 1971 - VI C 36.66 -, juris Rn. 17.
Die zu beurteilende Tätigkeit muss durch die Erfordernisse des Dienstes, den der Beamte üblicherweise leistet, maßgeblich geprägt sein; alleine die Möglichkeit, dass das Tätigwerden des Beamten in irgendeiner Weise auch im Interesse des Dienstherrn lag, ist nicht ausreichend, denn letztendlich geht es um eine Begrenzung des Haftungsrisikos des Dienstherrn,
vgl. VG Darmstadt, Urteil vom 06. Mai 2004 - 1 E 1111/02 -, juris Rn. 17.
An einer Dienstbezogenheit fehlt es, wenn die für das Verhalten maßgeblichen privaten Gründe überwiegen, d.h. wenn der Beamte überwiegend zum Schutz eigener Rechtsgüter oder in der Vertretung eigener Interessen tätig geworden ist,
vgl. VG Würzburg, Urteil vom 3. März 2015 - W 1 K 13.366 -, juris Rn. 22.
In Anwendung dieser Grundsätze stellt sich das Geschehen am Abend des 29. November 2014 nicht als Dienstunfall dar.
Zwar gehört objektiv die Rettung von gefährdeten Personen als Aufgabe der Gefahrenabwehr gem. § 1 Abs. 1 S. 1 Brandenburgisches Polizeigesetz (BbgPolG) – jedenfalls solange die Gefahrenabwehr durch eine andere Behörde nicht oder nicht rechtzeitig möglich erscheint – zum Dienst des Klägers als Polizeivollzugsbeamter. Die vom Kläger herangezogene Verpflichtung aus § 56 Abs. 3 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) greift jedoch bereits deshalb nicht, weil es sich nicht um einen Verteidigungsfall gehandelt hat.
Für ein wirksames Versetzen in den Dienst fehlt es bereits an ausreichenden objektiven Anhaltspunkten. Zwar hat sich der Kläger bei seinem Anruf beim Polizeinotruf mit „B... von der Polizei“ gemeldet und bei dem späteren Anruf beim Polizeinotruf um 20.33 angegeben „Ey, ich hab vor einer Viertelstunde bei Dir angerufen. Ich bin ein Kollege.“ Diese Äußerungen sind jedoch in Ansehung der konkreten Umstände des Geschehens nicht geeignet, ein sich in den Dienstversetzen ausreichend zu belegen. Diese Äußerungen lassen bereits für einen objektiven Dritten nicht ausreichend sichtbar werden, dass die Anrufe vom Kläger gerade als Polizist getätigt wurden. Sie sind mangels Angabe der Dienstbezeichnung bzw. Dienstelle nur vage und nicht ausreichend konkret. Auch das übrige Verhalten des Klägers bei den Telefonaten mit dem Polizeinotruf bzw. der Regionalleitstelle der Feuerwehr lassen ein dienstliches Agieren des Klägers nicht erkennen. Vielmehr reagiert und handelt der Kläger – angesichts der Situation vollkommen nachvollziehbar – äußerst emotional und nicht professionell. Zudem betont er durchgängig seine persönliche Nähe zu dem Opfer als seinem Sohn. Aus dem gesamte Agieren des Klägers, der neben seiner Ausbildung und langjährigen Tätigkeit als Polizeivollzugsbeamter und durch seine Tätigkeit in der Einsatzgruppe eine besondere Ausbildung für den Umgang mit extremen Einsatzsituationen erfahren hat, wird nicht deutlich, dass er als Polizeibeamter gehandelt hätte. Vielmehr sind die Gesprächsführung und Äußerungen des Klägers nach der von der Kammer u.a. durch die Tonaufzeichnungen gewonnenen Überzeugung – angesichts der extrem schwierigen Situation nur zu verständlich – von Überforderung und Panik geprägt; der Kläger handelte als persönlich betroffener (Stief-)Vater.
Der Kläger führte auch keine Handlungen aus, die ihm nur in seiner hoheitlichen Funktion zugestanden hätten. Dass die vom Kläger geltend gemachten Maßnahmen zur Tatortsicherung, Spurenerhaltung und Einsatzkoordinierung von ihm durchgeführt wurden, ist nicht ersichtlich. Näheres hat der Kläger hierzu nicht vorgetragen; die Angaben des KHK E... belegen, dass der Kläger selbst insoweit nicht tätig geworden ist. Ferner folgt aus dem Umstand, dass sich das Geschehen im privaten Wohnhaus des Klägers abspielte und zur Rettung des Stiefsohnes, zu dem nach Angaben des Klägers ein besonderes Näheverhältnis bestand, erfolgte, dass das Geschehen und die Art und Weise des Handelns des Kläger primär durch private Umstände geprägt waren, nicht jedoch durch ein dienstliches Agieren. Dass ein Privater gegebenenfalls rechtlich nicht verpflichtet gewesen wäre, angesichts einer möglichen eigenen Gefährdung die Tür zum Gästebad aufzubrechen und Wiederbelebungsmaßnahmen vorzunehmen, steht dieser Bewertung des Geschehens nicht entgegen, da ein Privater – abgesehen von möglichen moralischen Verpflichtungen – jedenfalls rechtlich nicht gehindert gewesen wäre, wie der Kläger zu handeln.
Das tragische Geschehen am 29. November 2014 lässt bei objektiver Betrachtung nicht erkennen, dass der Kläger im Banne des Dienstes agiert hat, sondern entspricht einem Verhalten, welches üblicherweise auch ein (nicht polizeiangehöriger) Stiefvater zur Rettung des ihm nahe stehenden Stiefsohnes gezeigt haben würde. Einer Indienstversetzung bedurfte es für die Durchführung und Initiierung der Rettungsmaßnahmen nicht.
Das unter Einhaltung der Frist des § 47 Abs. 1 Brandenburgisches Beamtenversorgungsgesetz (BbgBeamtV) gemeldete Geschehen vom 29. November 2014 stellt keinen Dienstunfall dar.
Nach der Legaldefinition des § 45 Abs. 1 BbgBeamtVG ist ein Dienstunfall ein auf äußere Einwirkungen beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder in Folge des Dienstes eingetreten ist. Ein Dienstunfall kann dabei auch vorliegen, wenn sich ein Beamter, der sich zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens nicht im Dienst befand, wirksam in den Dienst versetzt hat und ein enger Zusammenhang zwischen dem Dienst und dem Unfall besteht. Auch Polizeivollzugsbeamte sind hierzu berechtigt, wenn sie Zwecke der Verbrechensbekämpfung oder der Gefahrenabwehr verfolgen,
vgl. Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, 10. Auflage, § 14 Dienstunfall Rn. 36 m.w.N.
Ein äußeres, den Dienstunfall verursachendes Ereignis kann dabei nicht nur ein physisch auf den Körper des Beamten einwirkendes Ereignis sein, sondern auch ein solches, das nur mittelbar krankhafte Vorgänge im Körper auslöst, etwa durch die Verursachung eines seelischen Schocks.
vgl. BVerwG, Urteil vom 9. April 1970 - 2 C 49.68 -, juris Rn. 14.
Vorliegend ist ein auf äußere Einwirkungen beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares Geschehen i.S.d. Norm gegeben. Es fehlt jedoch die erforderliche Dienstbezogenheit. Der Kläger, der dienstfrei hatte, hat sich nicht wirksam selbst in den Dienst versetzt.
Dienstunfallrechtliche Ansprüche vermag nur ein rechtlich anzuerkennendes, d.h. wirksames Sich-in-den-Dienst-Versetzen auszulösen. Andernfalls hätte es der konkret handelnde Beamte in der Hand, ein ausschließlich oder zumindest überwiegend privat motiviertes Verhalten in den unfallrechtlichen Schutzbereich einzubeziehen und auf diese Weise die mit seinem Handeln verbundenen Risiken auf den Dienstherrn abzuwälzen. Ein wirksames Sich-in-den-Dienst-Versetzen setzt deshalb zunächst voraus, dass das Verhalten im Rahmen des Amtes oder des dienstlichen Auftrags des Beamten liegt, d.h. dass es nach objektiver Betrachtungsweise maßgeblich durch die Erfordernisse des für diesen Beamten typischen Dienstes geprägt und in diesem Sinne „in den Bann des Dienstes einbezogen“ ist,
vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Februar 1971 - VI C 36.66 -, juris Rn. 19; VG Würzburg, Urteil vom 3. März 2015 - W 1 K 13.366 -, juris Rn. 22; VG Bayreuth, Urteil vom 19. April 2013 - B 5 K 11.632 -, juris Rn. 19.
Die Feststellung, dass der Beamte, sich wirksam in den Dienst versetzt hat, setzt ferner neben seiner diesbezüglichen subjektiven Vorstellung voraus, dass besondere, objektiv erkennbare Tatsachen gegeben sind, die einen Schluss auf den Willen des Beamten, in Ausübung des Dienstes zu handeln, rechtfertigen und den notwendigen Zusammenhang zwischen der jeweiligen Tätigkeit des Beamten und den typischen Anforderungen seines Amtes belegen,
vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 13. Januar 2010 - 23 K 2664/99 -, juris Rn. 23.
Maßgeblich ist weiter, wodurch das Unfallgeschehen seine maßgebliche Prägung erfährt,
vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Februar 1971 - VI C 36.66 -, juris Rn. 17.
Die zu beurteilende Tätigkeit muss durch die Erfordernisse des Dienstes, den der Beamte üblicherweise leistet, maßgeblich geprägt sein; alleine die Möglichkeit, dass das Tätigwerden des Beamten in irgendeiner Weise auch im Interesse des Dienstherrn lag, ist nicht ausreichend, denn letztendlich geht es um eine Begrenzung des Haftungsrisikos des Dienstherrn,
vgl. VG Darmstadt, Urteil vom 06. Mai 2004 - 1 E 1111/02 -, juris Rn. 17.
An einer Dienstbezogenheit fehlt es, wenn die für das Verhalten maßgeblichen privaten Gründe überwiegen, d.h. wenn der Beamte überwiegend zum Schutz eigener Rechtsgüter oder in der Vertretung eigener Interessen tätig geworden ist,
vgl. VG Würzburg, Urteil vom 3. März 2015 - W 1 K 13.366 -, juris Rn. 22.
In Anwendung dieser Grundsätze stellt sich das Geschehen am Abend des 29. November 2014 nicht als Dienstunfall dar.
Zwar gehört objektiv die Rettung von gefährdeten Personen als Aufgabe der Gefahrenabwehr gem. § 1 Abs. 1 S. 1 Brandenburgisches Polizeigesetz (BbgPolG) – jedenfalls solange die Gefahrenabwehr durch eine andere Behörde nicht oder nicht rechtzeitig möglich erscheint – zum Dienst des Klägers als Polizeivollzugsbeamter. Die vom Kläger herangezogene Verpflichtung aus § 56 Abs. 3 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) greift jedoch bereits deshalb nicht, weil es sich nicht um einen Verteidigungsfall gehandelt hat.
Für ein wirksames Versetzen in den Dienst fehlt es bereits an ausreichenden objektiven Anhaltspunkten. Zwar hat sich der Kläger bei seinem Anruf beim Polizeinotruf mit „B... von der Polizei“ gemeldet und bei dem späteren Anruf beim Polizeinotruf um 20.33 angegeben „Ey, ich hab vor einer Viertelstunde bei Dir angerufen. Ich bin ein Kollege.“ Diese Äußerungen sind jedoch in Ansehung der konkreten Umstände des Geschehens nicht geeignet, ein sich in den Dienstversetzen ausreichend zu belegen. Diese Äußerungen lassen bereits für einen objektiven Dritten nicht ausreichend sichtbar werden, dass die Anrufe vom Kläger gerade als Polizist getätigt wurden. Sie sind mangels Angabe der Dienstbezeichnung bzw. Dienstelle nur vage und nicht ausreichend konkret. Auch das übrige Verhalten des Klägers bei den Telefonaten mit dem Polizeinotruf bzw. der Regionalleitstelle der Feuerwehr lassen ein dienstliches Agieren des Klägers nicht erkennen. Vielmehr reagiert und handelt der Kläger – angesichts der Situation vollkommen nachvollziehbar – äußerst emotional und nicht professionell. Zudem betont er durchgängig seine persönliche Nähe zu dem Opfer als seinem Sohn. Aus dem gesamte Agieren des Klägers, der neben seiner Ausbildung und langjährigen Tätigkeit als Polizeivollzugsbeamter und durch seine Tätigkeit in der Einsatzgruppe eine besondere Ausbildung für den Umgang mit extremen Einsatzsituationen erfahren hat, wird nicht deutlich, dass er als Polizeibeamter gehandelt hätte. Vielmehr sind die Gesprächsführung und Äußerungen des Klägers nach der von der Kammer u.a. durch die Tonaufzeichnungen gewonnenen Überzeugung – angesichts der extrem schwierigen Situation nur zu verständlich – von Überforderung und Panik geprägt; der Kläger handelte als persönlich betroffener (Stief-)Vater.
Der Kläger führte auch keine Handlungen aus, die ihm nur in seiner hoheitlichen Funktion zugestanden hätten. Dass die vom Kläger geltend gemachten Maßnahmen zur Tatortsicherung, Spurenerhaltung und Einsatzkoordinierung von ihm durchgeführt wurden, ist nicht ersichtlich. Näheres hat der Kläger hierzu nicht vorgetragen; die Angaben des KHK E... belegen, dass der Kläger selbst insoweit nicht tätig geworden ist. Ferner folgt aus dem Umstand, dass sich das Geschehen im privaten Wohnhaus des Klägers abspielte und zur Rettung des Stiefsohnes, zu dem nach Angaben des Klägers ein besonderes Näheverhältnis bestand, erfolgte, dass das Geschehen und die Art und Weise des Handelns des Kläger primär durch private Umstände geprägt waren, nicht jedoch durch ein dienstliches Agieren. Dass ein Privater gegebenenfalls rechtlich nicht verpflichtet gewesen wäre, angesichts einer möglichen eigenen Gefährdung die Tür zum Gästebad aufzubrechen und Wiederbelebungsmaßnahmen vorzunehmen, steht dieser Bewertung des Geschehens nicht entgegen, da ein Privater – abgesehen von möglichen moralischen Verpflichtungen – jedenfalls rechtlich nicht gehindert gewesen wäre, wie der Kläger zu handeln.
Das tragische Geschehen am 29. November 2014 lässt bei objektiver Betrachtung nicht erkennen, dass der Kläger im Banne des Dienstes agiert hat, sondern entspricht einem Verhalten, welches üblicherweise auch ein (nicht polizeiangehöriger) Stiefvater zur Rettung des ihm nahe stehenden Stiefsohnes gezeigt haben würde. Einer Indienstversetzung bedurfte es für die Durchführung und Initiierung der Rettungsmaßnahmen nicht.