Abgrenzung zwischen Dienstunfall und Berufskrankheit / BVerwG 12.12.19, 2 A 1.19
Unterschiede zwischen Unfall und Erkrankung
Die in der Berufskrankheitenverordnung anerkannten
Berufskrankheiten entstehen typischerweise nicht durch ein plötzliches Unfallereignis.
Vielmehr gehen sie in der Regel auf länger andauernde Einwirkungen zurück.
Deshalb bedürfen sie anderer Überlegungen und anderer Prüfmuster als die eigentlichen Dienstunfälle.
Langsam sich entwickelnde Krankheiten können grundsätzlich nicht auf ein einzelnes, isoliertes Unfallereignis zurückgeführt werden. Dies gilt auch für Infektionskrankheiten, sofern nicht konkret bestimmt werden kann, wann und bei welcher konkreten Gelegenheit sich der Beamte infiziert hat. (Was auch im Zusammenhang mit Corona diskutiert wird.)
Durch § 31 Abs. 3 Beamtenversorgungsgesetz (und entsprechendes Landesrecht) werden - wie im Sozialrecht - jene Erkrankungen in den rechtlichen Folgen einem Dienstunfall gleich gestellt, die in der Berufskrankheitenverordnung genannt sind.
Gewisse Unterschiede zur sozialrechtlichen Behandlung gibt es. So ist die Aufzählung in der Berufskrankheitenverordnung für die Beamtenversorgung abschließend und die Anerkennung anderer Erkrankungen nicht möglich.
In der nachstehenden Entscheidung befasst sich das Bundesverwaltungsgericht mit der Abgrenzung zwischen Dienstunfall und Berufskrankheit anhand des gesetzlichen Begriffes eines "plötzlichen" Ereignisses.
Die Entscheidung ist für Laien sicher sehr schwer zu verstehen, jedenfalls im Ergebnis.
Denn es gibt einerseits einen Dienstunfall, hinsichtlich dessen die Klage allderdings daran scheitert, dass der Kläger die im Dienstunfallrecht vorgesehenen Meldefristen versäumt hat.
Eine Jahre später liegende, monatelange Belastungssituation in Afghanistan wird nicht als Dienstunfall anerkannt, weil es sich nicht um ein plötzliches Ereignis handelte, sondern um langdauernde Belastungen. Deren Folgen können aber auch nicht als Berufskrankheit Anerkennung finden, denn die PTBS und die mittelschwere Episode waren - und sind - als psychische Erkrankungen nicht in der insoweit abschließenden Verordnung nach § 31 Abs. 3 Satz 3 BeamtVG enthalten.
Das macht einerseits Sinn, wenn man die Diagnose PTBS ausdrücklich davon abhängig macht, dass es ein konkretes traumatisierendes Ereignis (bzw. u. U. auch mehrere solche konkreten Ereignisse) gegeben haben muss, die jeweils als einzelne Dienstunfälle anerkannt werden können. Andererseits fragt man sich, weshalb andauernden Belastungssituationen die Anerkennung versagt bleiben soll.
Ob das nachfolgende Urteil längerfristig Bestand haben wird, mag zweifelhaft sein. Zur Zeit ist es aber unbedingt in die entsprechenden Betrachtungen einzubeziehen.
Der Teil der Entscheidung, auf den wir uns in erster Linie beziehen, beginnt bei Randnummer 22.
Deshalb bedürfen sie anderer Überlegungen und anderer Prüfmuster als die eigentlichen Dienstunfälle.
Langsam sich entwickelnde Krankheiten können grundsätzlich nicht auf ein einzelnes, isoliertes Unfallereignis zurückgeführt werden. Dies gilt auch für Infektionskrankheiten, sofern nicht konkret bestimmt werden kann, wann und bei welcher konkreten Gelegenheit sich der Beamte infiziert hat. (Was auch im Zusammenhang mit Corona diskutiert wird.)
Durch § 31 Abs. 3 Beamtenversorgungsgesetz (und entsprechendes Landesrecht) werden - wie im Sozialrecht - jene Erkrankungen in den rechtlichen Folgen einem Dienstunfall gleich gestellt, die in der Berufskrankheitenverordnung genannt sind.
Gewisse Unterschiede zur sozialrechtlichen Behandlung gibt es. So ist die Aufzählung in der Berufskrankheitenverordnung für die Beamtenversorgung abschließend und die Anerkennung anderer Erkrankungen nicht möglich.
In der nachstehenden Entscheidung befasst sich das Bundesverwaltungsgericht mit der Abgrenzung zwischen Dienstunfall und Berufskrankheit anhand des gesetzlichen Begriffes eines "plötzlichen" Ereignisses.
Die Entscheidung ist für Laien sicher sehr schwer zu verstehen, jedenfalls im Ergebnis.
Denn es gibt einerseits einen Dienstunfall, hinsichtlich dessen die Klage allderdings daran scheitert, dass der Kläger die im Dienstunfallrecht vorgesehenen Meldefristen versäumt hat.
Eine Jahre später liegende, monatelange Belastungssituation in Afghanistan wird nicht als Dienstunfall anerkannt, weil es sich nicht um ein plötzliches Ereignis handelte, sondern um langdauernde Belastungen. Deren Folgen können aber auch nicht als Berufskrankheit Anerkennung finden, denn die PTBS und die mittelschwere Episode waren - und sind - als psychische Erkrankungen nicht in der insoweit abschließenden Verordnung nach § 31 Abs. 3 Satz 3 BeamtVG enthalten.
Das macht einerseits Sinn, wenn man die Diagnose PTBS ausdrücklich davon abhängig macht, dass es ein konkretes traumatisierendes Ereignis (bzw. u. U. auch mehrere solche konkreten Ereignisse) gegeben haben muss, die jeweils als einzelne Dienstunfälle anerkannt werden können. Andererseits fragt man sich, weshalb andauernden Belastungssituationen die Anerkennung versagt bleiben soll.
Ob das nachfolgende Urteil längerfristig Bestand haben wird, mag zweifelhaft sein. Zur Zeit ist es aber unbedingt in die entsprechenden Betrachtungen einzubeziehen.
Der Teil der Entscheidung, auf den wir uns in erster Linie beziehen, beginnt bei Randnummer 22.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12.12.19, 2 A 1.19
Leitsätze:
1. Ein Körperschaden ist als Dienstunfallfolge anzuerkennen, wenn er durch einen Dienstunfall verursacht worden ist und keine Unfallfürsorgeansprüche ausschließenden Umstände (keine oder verfristete Unfallfolgenmeldung) gegeben sind.
2. Das Merkmal "plötzlich" in der Legaldefinition des Dienstunfalls in § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG dient der Abgrenzung eines Einzelgeschehens von dauernden Einwirkungen und bedarf der wertenden Betrachtung. Erforderlich sind kurzzeitige Begebenheiten; sich über mehrere Tage hinziehende Ereignisse genügen in der Regel nicht.
Aus den Gründen:
16 Die Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat nach den Bestimmungen des Beamtenversorgungsgesetzes (1.) keinen Anspruch auf Anerkennung seiner dienstlichen Belastungssituation von Ende März bis Anfang Mai 2016 in Afghanistan in Verbindung mit der Beschusssituation am 11.11.04 im Irak als Dienstunfall (2.) und als Einsatzunfall (3.).
Ebenso wenig hat er einen Anspruch auf Anerkennung der Posttraumatischen Belastungsstörung und der depressiven Episode als Unfallfolgen (4.).
Die Nichterwähnung von Dienstunfallfürsorgeleistungen im Fall des Klägers verstößt nicht gegen den in Art. 33 Abs. 5 GG verankerten Fürsorgegrundsatz (5.).
17 1. Im Falle eines Dienstunfalls und einer als Dienstunfall geltenden Krankheit erbringt der Dienstherr nach §§ 30 ff. BeamtVG mit der Dienstunfallfürsorge besondere Leistungen (vgl. den Katalog der Leistungsarten in § 30 Abs. 2 BeamtVG), die der Gesetzgeber wegen der besonderen Verantwortung des Dienstherrn für den beim Beamten eingetretenen Körperschaden für geboten hält; in anderen Fällen eines Unfalls oder einer Erkrankung erhält der Beamte Beihilfeleistungen (vgl. § 80 Bundesbeamtengesetz - BBG) unabhängig davon, ob der Unfall oder die Krankheit dienstbedingt entstanden ist oder nicht.
18 Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Beamtenversorgungsgesetz - BeamtVG - erhält ein Beamter Unfallfürsorge, wenn er durch einen Dienstunfall verletzt wird. Ein Dienstunfall ist nach § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist.
Erkrankt ein Beamter, der nach der Art seiner dienstlichen Verrichtung der Gefahr der Erkrankung an einer durch Rechtsverordnung des Bundes bestimmten Krankheit besonders ausgesetzt ist, an einer solchen Krankheit, gilt dies nach § 31 Abs. 3 BeamtVG als Dienstunfall.
Bei einem Einsatzunfall wird nach § 31a Abs. 1 BeamtVG Unfallfürsorge wie bei einem Dienstunfall gewährt. Ein Einsatzunfall liegt nach dieser Bestimmung vor, wenn ein Beamter aufgrund eines in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetretenen Unfalls oder einer derart eingetretenen Erkrankung im Sinne des § 31 BeamtVG bei einer besonderen Verwendung im Ausland eine gesundheitliche Schädigung erleidet.
Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG sind Unfälle, aus denen Unfallfürsorgeansprüche nach dem Beamtenversorgungsgesetz entstehen können, innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren nach dem Eintritt des Unfalles bei dem Dienstvorgesetzten des Verletzten zu melden. Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG wird nach Ablauf der Ausschlussfrist Unfallfürsorge nur dann gewährt, wenn seit dem Unfall noch nicht zehn Jahre vergangen sind und weitere Voraussetzungen vorliegen.
19 Um Rechtssicherheit für die Beteiligten herzustellen, kann die Frage der grundsätzlichen Unfallfürsorgeberechtigung anlässlich eines Schadensereignisses unabhängig von Unfallfolgen geklärt werden. Das geschieht durch die Anerkennung eines Ereignisses als Dienstunfall. Diese Anerkennung erfolgt dann, wenn ein Dienstunfall - oder eine diesem gleichstehende Erkrankung - vorliegt und keine Unfallfürsorgeansprüche ausschließenden Umstände (keine oder verfristete Unfallmeldung, Vorsätzlichkeit der Herbeiführung des Unfalls) gegeben sind. Mit einer solchen Anerkennung - oder ihrer Ablehnung - ist die grundsätzliche Unfallfürsorgeberechtigung aus dem als Dienstunfall anerkannten Ereignis zwischen dem Dienstherrn und dem Beamten positiv - oder negativ - geklärt. Eine solche Klärung ist auch bereits dann möglich, wenn das Ereignis noch keinen Körperschaden verursacht hat. Ein meldepflichtiger "Unfall" ist nicht nur der - feststehende, ohne Weiteres als solcher zu erkennende - Dienstunfall, der zweifelsfrei Unfallfürsorgeansprüche auslöst, sondern auch ein Unfallereignis, das in Ausübung des Dienstes eingetreten ist und nur möglicherweise - aktuell oder später - einen Körperschaden verursacht und somit Unfallfürsorgeansprüche auslöst. Ist nach der Unfallmeldung im Zeitpunkt der Entscheidung über das Vorliegen eines Dienstunfalls (noch) kein Körperschaden eingetreten, liegen aber alle sonstigen Voraussetzungen eines Dienstunfalls vor, ist zwar eine Anerkennung des Unfallgeschehens als Dienstunfall (noch) nicht möglich, wohl aber eine Bestätigung, dass sich der Unfall in Ausübung des Dienstes ereignet hat (BVerwG, Urteil vom 30.08.18 - 2 C 18.17 - BVerwGE 163, 49 Rn. 12 ff.).
20 Mit der Anerkennung eines Körperschadens im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG als Unfallfolge eines Dienstunfalls ist zwischen dem Beamten und dem Dienstherrn geklärt, dass ein bestimmter Körperschaden durch einen bestimmten Dienstunfall verursacht worden ist und insoweit dem Grunde nach Dienstunfallfürsorgeansprüche nach §§ 30 ff. BeamtVG bestehen, weil keine Unfallfürsorgeansprüche ausschließenden Umstände (keine oder verfristete Unfallfolgenmeldung) gegeben sind. Ein Körperschaden kann auch eine behandlungsbedürftige psychische Erkrankung sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.08.18 - 2 C 18.17 - BVerwGE 163, 49 Rn. 18 m.w.N.).
21 Die Frage, ob ein Ereignis als Dienstunfall anzuerkennen ist, beurteilt sich nach dem Recht, das in dem Zeitpunkt galt, in dem sich der Unfall ereignete, sofern sich eine Neuregelung nicht ausdrücklich - in der Regel den Beamten begünstigende - Rückwirkung beimisst (stRspr, vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 30.08.18 - 2 C 18.17 - BVerwGE 163, 49 Rn. 9 m.w.N.). Im vorliegenden Fall sind dies die Fassungen der genannten Normen des Beamtenversorgungsgesetzes in der Fassung des Gesetzes vom 21.12.04 (BGBl. I S. 3592) - bezüglich der Beschusssituation vom 11.11.04 - beziehungsweise in der Fassung der Bekanntmachung vom 24.02.10 (BGBl. I S. 150) - bezüglich der dienstlichen Belastungssituation im Zeitraum Ende März bis Anfang Mai 2016. Sie sind mit den gegenwärtig geltenden Fassungen identisch oder im hier interessierenden Zusammenhang inhaltsgleich.
22 2. Die dienstliche Belastungssituation des Klägers im Zeitraum Ende März bis Anfang Mai 2016 in Afghanistan in Verbindung mit der Beschusssituation am 11.11.04 im Irak kann nicht als Dienst- und Einsatzunfall anerkannt werden. Die vom Kläger angestellte "Gesamtbetrachtung" der Ereignisse im Irak und in Afghanistan kann nicht zur Anerkennung eines Dienstunfalls führen. Es fehlt an dem von § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG vorausgesetzten plötzlichen Ereignis (a). In Bezug auf das Unfallereignis vom 11.11.04 hat der Kläger eine fristgerechte Unfallmeldung (§ 45 Abs. 1 und 2 BeamtVG) versäumt (b).
23 a) Das Merkmal "plötzlich" in § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG dient der Abgrenzung eines Einzelgeschehens von dauernden Einwirkungen (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.11.1960 - 6 C 144.58 - BVerwGE 11, 229 <230>; Beschluss vom 19.01.06 - 2 B 46.05 - Rn. 6; ...). Es kommen nur einmalige, kurzzeitige Begebenheiten in Betracht, die sich allerdings häufen können. Schädliche Dauereinwirkungen sind grundsätzlich kein plötzliches Ereignis. Die Abgrenzung von der Dauersituation bedarf einer wertenden Betrachtung. Begebenheiten mit einer Dauer von mehreren Stunden, wie z.B. ein Unwetter, können plötzliche Ereignisse sein, sich über mehrere Dienstschichten oder Tage hinziehende Ereignisse hingegen nicht (...). Psychische Erkrankungen beruhen in aller Regel nicht auf einem plötzlichen, örtlich und zeitlich bestimmbaren Ereignis im Sinne des § 31 BeamtVG (BVerwG, Beschluss vom 19.02.07 - 2 B 19.07 - Rn. 8).
24 Danach liegt im vorliegenden Fall kein plötzliches Ereignis vor. Bereits der Zeitraum von ca. fünf Wochen von Ende März bis Anfang Mai 2016 ist zu lang, um die Plötzlichkeit eines Ereignisses annehmen zu können; es bedarf deshalb keiner Prüfung, ob die von Klägerseite vorgenommene Eingrenzung auf diesen Zeitraum medizinisch begründet ist oder ob stattdessen ein längerer oder sogar der gesamte Zeitraum des mehrjährigen Afghanistan-Aufenthalts zugrunde zu legen wäre. Die vom Kläger in seiner Unfallmeldung geschilderten Belastungen in Afghanistan sind Dauerbelastungen. Bei Einbeziehung des Ereignisses am 11.11.04 im Irak in das Geschehen zwischen Ende März bis Anfang Mai 2016 ist die Grenze der Plötzlichkeit erst recht überschritten. Ein plötzliches Ereignis kann nicht Jahre dauern.
25 Abgesehen davon ändert der Umstand, dass die PTBS sich erst zwölf Jahre nach der Beschusssituation vom 11.11.04 voll ausgeprägt hat, nichts daran, dass das Unfallereignis ausschließlich in dieser Beschusssituation liegt. Das Unfallereignis ist nicht aufzuspalten in die Beschusssituation als ersten Teilakt und spätere, eine Retraumatisierung bewirkende Ereignisse als weitere Teilakte mit der Folge, dass das Unfallereignis erst mit dem letzten Teilakt, der die Vollausbildung der PTBS bewirkt hat, gegeben ist. Eine solche Betrachtungsweise wäre zwar geeignet, aus den Meldepflichten nach § 45 Abs. 1 und 2 BeamtVG u.U. folgende Härten zu mildern. Sie ist aber mit dem Gesetz nicht zu vereinbaren; ein plötzliches Ereignis kann, wie bereits ausgeführt, nicht viele Jahre - im vorliegenden Fall: zwölf Jahre - dauern. Ebenso wenig ist es möglich, nur den letzten - d.h. hier den die Retraumatisierung zur Vollausbildung der PTBS führenden - Teilakt als Unfall zu qualifizieren, aber den vorherigen Teilakten und insbesondere dem auslösenden Anfangsereignis die Unfallqualität abzusprechen. Die Meldepflichten dienen dazu, den Dienstherrn in die Lage zu versetzen, selbst die hierfür erforderlichen Ermittlungen anzustellen und eine zeitnahe Klärung des Sachverhalts sicherzustellen, um zum einen Aufklärungsschwierigkeiten zu vermeiden, die sich bei späteren Ermittlungen ergeben können, und zum anderen präventive Maßnahmen des Dienstherrn zur Vermeidung weiterer Schäden zu ermöglichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.08.18 - 2 C 18.17 - BVerwGE 163, 49 Rn. 15 m.w.N.). Dem würde es widersprechen, gerade das auslösende Unfallereignis von der Meldepflicht auszunehmen.
26 b) Einer Anerkennung - ausschließlich - der Beschusssituation am 11.11.04 im Irak als Dienstunfall würde die Versäumung der fristgerechten Unfallmeldung (§ 45 Abs. 1 und 2 BeamtVG) entgegenstehen.
27 Die Beschusssituation hätte - entgegen der Ansicht des Klägers - möglicherweise wegen der bereits damals aufgetretenen Symptome als Dienstunfall anerkannt werden können. Zumindest aber wäre eine Bestätigung möglich gewesen, dass sich das Unfallereignis in Ausübung des Dienstes ereignet hat (BVerwG, Urteil vom 30.08.18 - 2 C 18.17 - BVerwGE 163, 49 Rn. 16).
28 Eine Unfallmeldung nach § 45 Abs. 1 und 2 BeamtVG war auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Dienstvorgesetzte im Jahr 2004 bereits von Amts wegen Kenntnis von dem Unfall hatte und deshalb nach § 45 Abs. 3 BeamtVG verpflichtet war, den Unfall sofort zu untersuchen, und ihn auch untersucht hat (BVerwG, Urteil vom 30.08.18 - 2 C 18.17 - BVerwGE 163, 49 Rn. 24 ff.).
29 3. Die dienstliche Belastungssituation des Klägers im Zeitraum Ende März bis Anfang Mai 2016 in Afghanistan in Verbindung mit der Beschusssituation am 11.11.04 im Irak kann auch nicht als Einsatzunfall nach § 31a BeamtVG anerkannt werden.
30 a) Sind wegen Verletzung der Meldepflichten des § 45 BeamtVG Unfallfürsorgeansprüche ausgeschlossen, gilt dies auch für Unfallfürsorgeansprüche wegen Einsatzunfällen nach § 31a BeamtVG. Denn die Meldepflichten des § 45 BeamtVG gelten auch für Einsatzunfälle nach § 31a BeamtVG (...). Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 45 BeamtVG ("Unfälle, aus denen Unfallfürsorgeansprüche nach diesem Gesetz entstehen können"), seiner systematischen Stellung (im Abschnitt "Unfallfürsorge" nach den einzelnen Unfallfürsorgeansprüchen) und seinem Sinn und Zweck (Sicherstellung alsbaldiger Ermittlungen zum Unfallereignis, um Aufklärungsschwierigkeiten, die sich bei späteren Ermittlungen ergeben können, zu vermeiden und um präventive Maßnahmen zur Vermeidung weiterer Schäden zu ermöglichen; stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 30.08.18 - 2 C 18.17 - BVerwGE 163, 49 Rn. 15 m.w.N.).
31 b) Fehlt es an der Plötzlichkeit für die Annahme eines Dienstunfalls nach § 31 BeamtVG, liegt auch kein Einsatzunfall nach § 31a BeamtVG vor. Mangels Dienstunfalls ist kein "in Ausübung des Dienstes eingetretener Unfall" im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 Variante 1 BeamtVG gegeben.
Es liegt auch keine "Erkrankung im Sinne des § 31" nach § 31a Abs. 1 Satz 1 Variante 2 BeamtVG vor. Die PTBS und die mittelschwere Episode waren - und sind - als psychische Erkrankungen nicht in der insoweit abschließenden Verordnung nach § 31 Abs. 3 Satz 3 BeamtVG enthalten (vgl. Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung vom 31.10.1997, BGBl. I S. 2623, zuletzt geändert durch Verordnung vom 10.07.17, BGBl I S. 2299; vgl. auch: BVerwG, Urteil vom 10.12.15 - 2 C 46.13 - Rn. 8 ff.).
32 4. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Anerkennung der Posttraumatischen Belastungsstörung und der depressiven Episode als Unfallfolgen.
33 Kann - wie hier - ein Ereignis nicht als Dienst- und Einsatzunfall anerkannt werden, können auch mit dem Ereignis in Zusammenhang stehende Körperschäden nicht als Dienstunfallfolgen anerkannt werden.
34 Da der Kläger das Ereignis vom 11.11.04 nicht in der Zweijahresfrist des § 45 Abs. 1 BeamtVG als (möglichen) Unfall gemeldet hat, ist er mit Unfallfürsorgeansprüchen infolge dieses Ereignisses ausgeschlossen. Die - nach dem Gutachten vom 15.12.17 - durch die Beschusssituation ausgelöste PTBS kann wegen der Versäumung der Zehnjahresfrist des § 45 Abs. 2 BeamtVG Unfallfürsorgeansprüche nicht mehr begründen.
35 Hinsichtlich der während des Aufenthalts in Afghanistan in den Jahren 2013 bis 2016 entstandenen mittelschweren Depression fehlt es - wie ausgeführt - mangels Plötzlichkeit des Ereignisses an einem Dienstunfall, sodass die Depression auch nicht als (Dienst-)Unfallfolge anerkannt werden kann. Ob die dienstlichen Aspekte im dienstunfallrechtlichen Sinne kausal für den Gesundheitsschaden, d.h. die mittelschwere Depression, geworden sind, kann deshalb offen bleiben (vgl. zum Begriff der Ursächlichkeit im Dienstunfallrecht statt aller: BVerwG, Urteil vom 15.09.1994 - 2 C 24.92 -). Dem Kläger hilft auch § 31 Abs. 4 BeamtVG nicht, wonach dem durch Dienstunfall verursachten Körperschaden ein Körperschaden gleichzusetzen ist, den ein Beamter außerhalb seines Dienstes erleidet, wenn er im Hinblick auf sein pflichtgemäßes dienstliches Verhalten oder wegen seiner Eigenschaft als Beamter angegriffen wird, oder den ein Beamter im Ausland erleidet, wenn er bei Kriegshandlungen, Aufruhr oder Unruhen, denen er am Ort seines dienstlich angeordneten Aufenthaltes im Ausland besonders ausgesetzt war, angegriffen wird. Der Kläger ist nämlich in Afghanistan - anders möglicherweise seinerzeit im Irak - nicht "angegriffen" worden.
36 Ungeachtet dessen, ob und wieweit die Regelungen bei "besonderen Auslandsverwendungen" für Soldaten in § 63c SVG günstiger sind als für Beamte in § 31a BeamtVG und ob sich dies im konkreten Fall des Klägers überhaupt auswirkt, könnte der Kläger aus einer Besserstellung von Soldaten gegenüber Beamten nichts herleiten. Es ist eine dem Gesetzgeber zustehende Entscheidung, zwischen den Statusgruppen und Einsatzzwecken zu differenzieren und z.B. mehr Leistungen bei tendenziell gefährlicheren soldatischen Einsätzen zu gewähren oder von solchen Differenzierungen abzusehen. Bedenken hiergegen unter dem Aspekt des Art. 3 Abs. 1 GG bestehen nicht (vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 14.03.19 - 2 A 11.17 - ZBR 2019, 420 Rn. 17 ff.). Das Gleiche gilt im Ergebnis
auch für die Erstreckung der Regelungen für besondere Auslandsverwendungen -
nur - auf andere Angehörige im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der
Verteidigung in § 63c Abs. 5 SVG. Einerseits die Differenzierung zwischen
Statusgruppen und andererseits die Einheitlichkeit der Regelungen innerhalb
eines Geschäftsbereichs unter Ausschluss der Angehörigen anderer
Geschäftsbereiche ist mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG noch
vereinbar.
37 5. Auch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gebietet entgegen der Ansicht des Klägers nicht die Gewährung von Unfallfürsorgeleistungen wegen der von ihm angeführten Versäumnisse des Dienstherrn bezüglich seiner - des Klägers - Auslandseinsätze. Deshalb bedarf es auch keiner Prüfung, ob und inwieweit diese Vorwürfe berechtigt sind.
38 Nach § 78 BBG hat der Dienstherr im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl der Beamten und ihrer Familien, auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, zu sorgen. Ferner schützt er die Beamten bei ihrer amtlichen Tätigkeit und in ihrer Stellung. Die durch Art. 33 Abs. 5 GG garantierte allgemeine Fürsorgepflicht hat insbesondere zum Inhalt, dass der Dienstherr bei seinen Entscheidungen die wohlverstandenen Interessen des Beamten in gebührender Weise zu berücksichtigen hat (BVerfG, Kammerbeschluss vom 30.01.08 - 2 BvR 754/07 - NVwZ 2008, 547 <548> m.w.N.). Hat der Normgeber jedoch unter Abwägung aller Belange, insbesondere der wohlverstandenen Interessen der Beamten, zu diesem Zweck eine abstrakt-generelle Regelung getroffen, darf diese nicht unter Berufung auf die allgemeine Fürsorgepflicht wieder überspielt und eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Rechtsfolge gefordert werden (BVerwG, Urteile vom 26.10.00 - 2 C 38.99 - Buchholz 237.7 § 48 NWLBG Nr. 1 S. 3, vom 21.12.00 - 2 C 39.99 - BVerwGE 112, 308 <309 f.> und vom 02.02.17 - 2 C 22.16 - Rn. 22).
39 Im Übrigen verletzt die Nichtgewährung von Dienstunfallfürsorgeleistungen bei Unfällen oder Krankheiten im dienstlichen Kontext nicht per se die Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Der Fürsorgegrundsatz gebietet nicht, dass über die Alimentation (Besoldung oder Versorgung) und Beihilfegewährung hinaus zwingend weitere Leistungen zu gewähren sind, wenn ein Beamter infolge dienstlicher Umstände erkrankt. Auch im Falle seiner Erkrankung ist die amtsangemessene Alimentation des Beamten sowie die angemessene Übernahme der durch den Körperschaden oder die Krankheit entstehenden Kosten über die genannten Leistungen gewährleistet (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.12.15 - 2 C 46.13 -; vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 30.08.18 - 2 C 18.17 - BVerwGE 163, 49 Rn. 30 ff.).
Leitsätze:
1. Ein Körperschaden ist als Dienstunfallfolge anzuerkennen, wenn er durch einen Dienstunfall verursacht worden ist und keine Unfallfürsorgeansprüche ausschließenden Umstände (keine oder verfristete Unfallfolgenmeldung) gegeben sind.
2. Das Merkmal "plötzlich" in der Legaldefinition des Dienstunfalls in § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG dient der Abgrenzung eines Einzelgeschehens von dauernden Einwirkungen und bedarf der wertenden Betrachtung. Erforderlich sind kurzzeitige Begebenheiten; sich über mehrere Tage hinziehende Ereignisse genügen in der Regel nicht.
Aus den Gründen:
16 Die Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat nach den Bestimmungen des Beamtenversorgungsgesetzes (1.) keinen Anspruch auf Anerkennung seiner dienstlichen Belastungssituation von Ende März bis Anfang Mai 2016 in Afghanistan in Verbindung mit der Beschusssituation am 11.11.04 im Irak als Dienstunfall (2.) und als Einsatzunfall (3.).
Ebenso wenig hat er einen Anspruch auf Anerkennung der Posttraumatischen Belastungsstörung und der depressiven Episode als Unfallfolgen (4.).
Die Nichterwähnung von Dienstunfallfürsorgeleistungen im Fall des Klägers verstößt nicht gegen den in Art. 33 Abs. 5 GG verankerten Fürsorgegrundsatz (5.).
17 1. Im Falle eines Dienstunfalls und einer als Dienstunfall geltenden Krankheit erbringt der Dienstherr nach §§ 30 ff. BeamtVG mit der Dienstunfallfürsorge besondere Leistungen (vgl. den Katalog der Leistungsarten in § 30 Abs. 2 BeamtVG), die der Gesetzgeber wegen der besonderen Verantwortung des Dienstherrn für den beim Beamten eingetretenen Körperschaden für geboten hält; in anderen Fällen eines Unfalls oder einer Erkrankung erhält der Beamte Beihilfeleistungen (vgl. § 80 Bundesbeamtengesetz - BBG) unabhängig davon, ob der Unfall oder die Krankheit dienstbedingt entstanden ist oder nicht.
18 Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Beamtenversorgungsgesetz - BeamtVG - erhält ein Beamter Unfallfürsorge, wenn er durch einen Dienstunfall verletzt wird. Ein Dienstunfall ist nach § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist.
Erkrankt ein Beamter, der nach der Art seiner dienstlichen Verrichtung der Gefahr der Erkrankung an einer durch Rechtsverordnung des Bundes bestimmten Krankheit besonders ausgesetzt ist, an einer solchen Krankheit, gilt dies nach § 31 Abs. 3 BeamtVG als Dienstunfall.
Bei einem Einsatzunfall wird nach § 31a Abs. 1 BeamtVG Unfallfürsorge wie bei einem Dienstunfall gewährt. Ein Einsatzunfall liegt nach dieser Bestimmung vor, wenn ein Beamter aufgrund eines in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetretenen Unfalls oder einer derart eingetretenen Erkrankung im Sinne des § 31 BeamtVG bei einer besonderen Verwendung im Ausland eine gesundheitliche Schädigung erleidet.
Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG sind Unfälle, aus denen Unfallfürsorgeansprüche nach dem Beamtenversorgungsgesetz entstehen können, innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren nach dem Eintritt des Unfalles bei dem Dienstvorgesetzten des Verletzten zu melden. Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG wird nach Ablauf der Ausschlussfrist Unfallfürsorge nur dann gewährt, wenn seit dem Unfall noch nicht zehn Jahre vergangen sind und weitere Voraussetzungen vorliegen.
19 Um Rechtssicherheit für die Beteiligten herzustellen, kann die Frage der grundsätzlichen Unfallfürsorgeberechtigung anlässlich eines Schadensereignisses unabhängig von Unfallfolgen geklärt werden. Das geschieht durch die Anerkennung eines Ereignisses als Dienstunfall. Diese Anerkennung erfolgt dann, wenn ein Dienstunfall - oder eine diesem gleichstehende Erkrankung - vorliegt und keine Unfallfürsorgeansprüche ausschließenden Umstände (keine oder verfristete Unfallmeldung, Vorsätzlichkeit der Herbeiführung des Unfalls) gegeben sind. Mit einer solchen Anerkennung - oder ihrer Ablehnung - ist die grundsätzliche Unfallfürsorgeberechtigung aus dem als Dienstunfall anerkannten Ereignis zwischen dem Dienstherrn und dem Beamten positiv - oder negativ - geklärt. Eine solche Klärung ist auch bereits dann möglich, wenn das Ereignis noch keinen Körperschaden verursacht hat. Ein meldepflichtiger "Unfall" ist nicht nur der - feststehende, ohne Weiteres als solcher zu erkennende - Dienstunfall, der zweifelsfrei Unfallfürsorgeansprüche auslöst, sondern auch ein Unfallereignis, das in Ausübung des Dienstes eingetreten ist und nur möglicherweise - aktuell oder später - einen Körperschaden verursacht und somit Unfallfürsorgeansprüche auslöst. Ist nach der Unfallmeldung im Zeitpunkt der Entscheidung über das Vorliegen eines Dienstunfalls (noch) kein Körperschaden eingetreten, liegen aber alle sonstigen Voraussetzungen eines Dienstunfalls vor, ist zwar eine Anerkennung des Unfallgeschehens als Dienstunfall (noch) nicht möglich, wohl aber eine Bestätigung, dass sich der Unfall in Ausübung des Dienstes ereignet hat (BVerwG, Urteil vom 30.08.18 - 2 C 18.17 - BVerwGE 163, 49 Rn. 12 ff.).
20 Mit der Anerkennung eines Körperschadens im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG als Unfallfolge eines Dienstunfalls ist zwischen dem Beamten und dem Dienstherrn geklärt, dass ein bestimmter Körperschaden durch einen bestimmten Dienstunfall verursacht worden ist und insoweit dem Grunde nach Dienstunfallfürsorgeansprüche nach §§ 30 ff. BeamtVG bestehen, weil keine Unfallfürsorgeansprüche ausschließenden Umstände (keine oder verfristete Unfallfolgenmeldung) gegeben sind. Ein Körperschaden kann auch eine behandlungsbedürftige psychische Erkrankung sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.08.18 - 2 C 18.17 - BVerwGE 163, 49 Rn. 18 m.w.N.).
21 Die Frage, ob ein Ereignis als Dienstunfall anzuerkennen ist, beurteilt sich nach dem Recht, das in dem Zeitpunkt galt, in dem sich der Unfall ereignete, sofern sich eine Neuregelung nicht ausdrücklich - in der Regel den Beamten begünstigende - Rückwirkung beimisst (stRspr, vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 30.08.18 - 2 C 18.17 - BVerwGE 163, 49 Rn. 9 m.w.N.). Im vorliegenden Fall sind dies die Fassungen der genannten Normen des Beamtenversorgungsgesetzes in der Fassung des Gesetzes vom 21.12.04 (BGBl. I S. 3592) - bezüglich der Beschusssituation vom 11.11.04 - beziehungsweise in der Fassung der Bekanntmachung vom 24.02.10 (BGBl. I S. 150) - bezüglich der dienstlichen Belastungssituation im Zeitraum Ende März bis Anfang Mai 2016. Sie sind mit den gegenwärtig geltenden Fassungen identisch oder im hier interessierenden Zusammenhang inhaltsgleich.
22 2. Die dienstliche Belastungssituation des Klägers im Zeitraum Ende März bis Anfang Mai 2016 in Afghanistan in Verbindung mit der Beschusssituation am 11.11.04 im Irak kann nicht als Dienst- und Einsatzunfall anerkannt werden. Die vom Kläger angestellte "Gesamtbetrachtung" der Ereignisse im Irak und in Afghanistan kann nicht zur Anerkennung eines Dienstunfalls führen. Es fehlt an dem von § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG vorausgesetzten plötzlichen Ereignis (a). In Bezug auf das Unfallereignis vom 11.11.04 hat der Kläger eine fristgerechte Unfallmeldung (§ 45 Abs. 1 und 2 BeamtVG) versäumt (b).
23 a) Das Merkmal "plötzlich" in § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG dient der Abgrenzung eines Einzelgeschehens von dauernden Einwirkungen (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.11.1960 - 6 C 144.58 - BVerwGE 11, 229 <230>; Beschluss vom 19.01.06 - 2 B 46.05 - Rn. 6; ...). Es kommen nur einmalige, kurzzeitige Begebenheiten in Betracht, die sich allerdings häufen können. Schädliche Dauereinwirkungen sind grundsätzlich kein plötzliches Ereignis. Die Abgrenzung von der Dauersituation bedarf einer wertenden Betrachtung. Begebenheiten mit einer Dauer von mehreren Stunden, wie z.B. ein Unwetter, können plötzliche Ereignisse sein, sich über mehrere Dienstschichten oder Tage hinziehende Ereignisse hingegen nicht (...). Psychische Erkrankungen beruhen in aller Regel nicht auf einem plötzlichen, örtlich und zeitlich bestimmbaren Ereignis im Sinne des § 31 BeamtVG (BVerwG, Beschluss vom 19.02.07 - 2 B 19.07 - Rn. 8).
24 Danach liegt im vorliegenden Fall kein plötzliches Ereignis vor. Bereits der Zeitraum von ca. fünf Wochen von Ende März bis Anfang Mai 2016 ist zu lang, um die Plötzlichkeit eines Ereignisses annehmen zu können; es bedarf deshalb keiner Prüfung, ob die von Klägerseite vorgenommene Eingrenzung auf diesen Zeitraum medizinisch begründet ist oder ob stattdessen ein längerer oder sogar der gesamte Zeitraum des mehrjährigen Afghanistan-Aufenthalts zugrunde zu legen wäre. Die vom Kläger in seiner Unfallmeldung geschilderten Belastungen in Afghanistan sind Dauerbelastungen. Bei Einbeziehung des Ereignisses am 11.11.04 im Irak in das Geschehen zwischen Ende März bis Anfang Mai 2016 ist die Grenze der Plötzlichkeit erst recht überschritten. Ein plötzliches Ereignis kann nicht Jahre dauern.
25 Abgesehen davon ändert der Umstand, dass die PTBS sich erst zwölf Jahre nach der Beschusssituation vom 11.11.04 voll ausgeprägt hat, nichts daran, dass das Unfallereignis ausschließlich in dieser Beschusssituation liegt. Das Unfallereignis ist nicht aufzuspalten in die Beschusssituation als ersten Teilakt und spätere, eine Retraumatisierung bewirkende Ereignisse als weitere Teilakte mit der Folge, dass das Unfallereignis erst mit dem letzten Teilakt, der die Vollausbildung der PTBS bewirkt hat, gegeben ist. Eine solche Betrachtungsweise wäre zwar geeignet, aus den Meldepflichten nach § 45 Abs. 1 und 2 BeamtVG u.U. folgende Härten zu mildern. Sie ist aber mit dem Gesetz nicht zu vereinbaren; ein plötzliches Ereignis kann, wie bereits ausgeführt, nicht viele Jahre - im vorliegenden Fall: zwölf Jahre - dauern. Ebenso wenig ist es möglich, nur den letzten - d.h. hier den die Retraumatisierung zur Vollausbildung der PTBS führenden - Teilakt als Unfall zu qualifizieren, aber den vorherigen Teilakten und insbesondere dem auslösenden Anfangsereignis die Unfallqualität abzusprechen. Die Meldepflichten dienen dazu, den Dienstherrn in die Lage zu versetzen, selbst die hierfür erforderlichen Ermittlungen anzustellen und eine zeitnahe Klärung des Sachverhalts sicherzustellen, um zum einen Aufklärungsschwierigkeiten zu vermeiden, die sich bei späteren Ermittlungen ergeben können, und zum anderen präventive Maßnahmen des Dienstherrn zur Vermeidung weiterer Schäden zu ermöglichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.08.18 - 2 C 18.17 - BVerwGE 163, 49 Rn. 15 m.w.N.). Dem würde es widersprechen, gerade das auslösende Unfallereignis von der Meldepflicht auszunehmen.
26 b) Einer Anerkennung - ausschließlich - der Beschusssituation am 11.11.04 im Irak als Dienstunfall würde die Versäumung der fristgerechten Unfallmeldung (§ 45 Abs. 1 und 2 BeamtVG) entgegenstehen.
27 Die Beschusssituation hätte - entgegen der Ansicht des Klägers - möglicherweise wegen der bereits damals aufgetretenen Symptome als Dienstunfall anerkannt werden können. Zumindest aber wäre eine Bestätigung möglich gewesen, dass sich das Unfallereignis in Ausübung des Dienstes ereignet hat (BVerwG, Urteil vom 30.08.18 - 2 C 18.17 - BVerwGE 163, 49 Rn. 16).
28 Eine Unfallmeldung nach § 45 Abs. 1 und 2 BeamtVG war auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Dienstvorgesetzte im Jahr 2004 bereits von Amts wegen Kenntnis von dem Unfall hatte und deshalb nach § 45 Abs. 3 BeamtVG verpflichtet war, den Unfall sofort zu untersuchen, und ihn auch untersucht hat (BVerwG, Urteil vom 30.08.18 - 2 C 18.17 - BVerwGE 163, 49 Rn. 24 ff.).
29 3. Die dienstliche Belastungssituation des Klägers im Zeitraum Ende März bis Anfang Mai 2016 in Afghanistan in Verbindung mit der Beschusssituation am 11.11.04 im Irak kann auch nicht als Einsatzunfall nach § 31a BeamtVG anerkannt werden.
30 a) Sind wegen Verletzung der Meldepflichten des § 45 BeamtVG Unfallfürsorgeansprüche ausgeschlossen, gilt dies auch für Unfallfürsorgeansprüche wegen Einsatzunfällen nach § 31a BeamtVG. Denn die Meldepflichten des § 45 BeamtVG gelten auch für Einsatzunfälle nach § 31a BeamtVG (...). Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 45 BeamtVG ("Unfälle, aus denen Unfallfürsorgeansprüche nach diesem Gesetz entstehen können"), seiner systematischen Stellung (im Abschnitt "Unfallfürsorge" nach den einzelnen Unfallfürsorgeansprüchen) und seinem Sinn und Zweck (Sicherstellung alsbaldiger Ermittlungen zum Unfallereignis, um Aufklärungsschwierigkeiten, die sich bei späteren Ermittlungen ergeben können, zu vermeiden und um präventive Maßnahmen zur Vermeidung weiterer Schäden zu ermöglichen; stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 30.08.18 - 2 C 18.17 - BVerwGE 163, 49 Rn. 15 m.w.N.).
31 b) Fehlt es an der Plötzlichkeit für die Annahme eines Dienstunfalls nach § 31 BeamtVG, liegt auch kein Einsatzunfall nach § 31a BeamtVG vor. Mangels Dienstunfalls ist kein "in Ausübung des Dienstes eingetretener Unfall" im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 Variante 1 BeamtVG gegeben.
Es liegt auch keine "Erkrankung im Sinne des § 31" nach § 31a Abs. 1 Satz 1 Variante 2 BeamtVG vor. Die PTBS und die mittelschwere Episode waren - und sind - als psychische Erkrankungen nicht in der insoweit abschließenden Verordnung nach § 31 Abs. 3 Satz 3 BeamtVG enthalten (vgl. Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung vom 31.10.1997, BGBl. I S. 2623, zuletzt geändert durch Verordnung vom 10.07.17, BGBl I S. 2299; vgl. auch: BVerwG, Urteil vom 10.12.15 - 2 C 46.13 - Rn. 8 ff.).
32 4. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Anerkennung der Posttraumatischen Belastungsstörung und der depressiven Episode als Unfallfolgen.
33 Kann - wie hier - ein Ereignis nicht als Dienst- und Einsatzunfall anerkannt werden, können auch mit dem Ereignis in Zusammenhang stehende Körperschäden nicht als Dienstunfallfolgen anerkannt werden.
34 Da der Kläger das Ereignis vom 11.11.04 nicht in der Zweijahresfrist des § 45 Abs. 1 BeamtVG als (möglichen) Unfall gemeldet hat, ist er mit Unfallfürsorgeansprüchen infolge dieses Ereignisses ausgeschlossen. Die - nach dem Gutachten vom 15.12.17 - durch die Beschusssituation ausgelöste PTBS kann wegen der Versäumung der Zehnjahresfrist des § 45 Abs. 2 BeamtVG Unfallfürsorgeansprüche nicht mehr begründen.
35 Hinsichtlich der während des Aufenthalts in Afghanistan in den Jahren 2013 bis 2016 entstandenen mittelschweren Depression fehlt es - wie ausgeführt - mangels Plötzlichkeit des Ereignisses an einem Dienstunfall, sodass die Depression auch nicht als (Dienst-)Unfallfolge anerkannt werden kann. Ob die dienstlichen Aspekte im dienstunfallrechtlichen Sinne kausal für den Gesundheitsschaden, d.h. die mittelschwere Depression, geworden sind, kann deshalb offen bleiben (vgl. zum Begriff der Ursächlichkeit im Dienstunfallrecht statt aller: BVerwG, Urteil vom 15.09.1994 - 2 C 24.92 -). Dem Kläger hilft auch § 31 Abs. 4 BeamtVG nicht, wonach dem durch Dienstunfall verursachten Körperschaden ein Körperschaden gleichzusetzen ist, den ein Beamter außerhalb seines Dienstes erleidet, wenn er im Hinblick auf sein pflichtgemäßes dienstliches Verhalten oder wegen seiner Eigenschaft als Beamter angegriffen wird, oder den ein Beamter im Ausland erleidet, wenn er bei Kriegshandlungen, Aufruhr oder Unruhen, denen er am Ort seines dienstlich angeordneten Aufenthaltes im Ausland besonders ausgesetzt war, angegriffen wird. Der Kläger ist nämlich in Afghanistan - anders möglicherweise seinerzeit im Irak - nicht "angegriffen" worden.
36 Ungeachtet dessen, ob und wieweit die Regelungen bei "besonderen Auslandsverwendungen" für Soldaten in § 63c SVG günstiger sind als für Beamte in § 31a BeamtVG und ob sich dies im konkreten Fall des Klägers überhaupt auswirkt, könnte der Kläger aus einer Besserstellung von Soldaten gegenüber Beamten nichts herleiten. Es ist eine dem Gesetzgeber zustehende Entscheidung, zwischen den Statusgruppen und Einsatzzwecken zu differenzieren und z.B. mehr Leistungen bei tendenziell gefährlicheren soldatischen Einsätzen zu gewähren oder von solchen Differenzierungen abzusehen. Bedenken hiergegen unter dem Aspekt des Art. 3 Abs. 1 GG bestehen nicht (vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 14.03.19 - 2 A 11.17 - ZBR 2019, 420 Rn. 17 ff.
37 5. Auch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gebietet entgegen der Ansicht des Klägers nicht die Gewährung von Unfallfürsorgeleistungen wegen der von ihm angeführten Versäumnisse des Dienstherrn bezüglich seiner - des Klägers - Auslandseinsätze. Deshalb bedarf es auch keiner Prüfung, ob und inwieweit diese Vorwürfe berechtigt sind.
38 Nach § 78 BBG hat der Dienstherr im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl der Beamten und ihrer Familien, auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, zu sorgen. Ferner schützt er die Beamten bei ihrer amtlichen Tätigkeit und in ihrer Stellung. Die durch Art. 33 Abs. 5 GG garantierte allgemeine Fürsorgepflicht hat insbesondere zum Inhalt, dass der Dienstherr bei seinen Entscheidungen die wohlverstandenen Interessen des Beamten in gebührender Weise zu berücksichtigen hat (BVerfG, Kammerbeschluss vom 30.01.08 - 2 BvR 754/07 - NVwZ 2008, 547 <548> m.w.N.). Hat der Normgeber jedoch unter Abwägung aller Belange, insbesondere der wohlverstandenen Interessen der Beamten, zu diesem Zweck eine abstrakt-generelle Regelung getroffen, darf diese nicht unter Berufung auf die allgemeine Fürsorgepflicht wieder überspielt und eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Rechtsfolge gefordert werden (BVerwG, Urteile vom 26.10.00 - 2 C 38.99 - Buchholz 237.7 § 48 NWLBG Nr. 1 S. 3, vom 21.12.00 - 2 C 39.99 - BVerwGE 112, 308 <309 f.> und vom 02.02.17 - 2 C 22.16 - Rn. 22).
39 Im Übrigen verletzt die Nichtgewährung von Dienstunfallfürsorgeleistungen bei Unfällen oder Krankheiten im dienstlichen Kontext nicht per se die Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Der Fürsorgegrundsatz gebietet nicht, dass über die Alimentation (Besoldung oder Versorgung) und Beihilfegewährung hinaus zwingend weitere Leistungen zu gewähren sind, wenn ein Beamter infolge dienstlicher Umstände erkrankt. Auch im Falle seiner Erkrankung ist die amtsangemessene Alimentation des Beamten sowie die angemessene Übernahme der durch den Körperschaden oder die Krankheit entstehenden Kosten über die genannten Leistungen gewährleistet (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.12.15 - 2 C 46.13 -; vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 30.08.18 - 2 C 18.17 - BVerwGE 163, 49 Rn. 30 ff.).