Trunkenheit am Steuer als Dienstvergehen des Beamten auf Widerruf
Die Bewertung von Sachverhalten wandelt sich mit der Zeit und sie ist auch nicht einheitlich.
Immer wieder gibt es Rechtsfragen, über deren richtige Lösung sich die Gerichte streiten.
Bei der nachfolgenden Entscheidung aus dem Jahr 2015 geht es formell nur um die Frage, ob einem Beamten auf Widerruf wegen des Verdachts eines Dienstvergehens die Dienstausübung untersagt werden darf.
Das Gericht legt aber sehr deutlich seine Meinung dar, dass der Beamte entlassen werden müsse.
Vielleicht wird damit wieder einmal eine strengere Betrachtung der Alkoholproblematik angestoßen?
Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 17.12.15 – 10 M 10/15 –
Orientierungssatz
Bei einem Beamten auf Widerruf genügt für die Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung der Verdacht eines Dienstvergehens schlechthin.
Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist die vorläufige Dienstenthebung des Antragstellers gem. § 34 Abs. 4 und 5 LBG LSA i. V. m. § 38 Abs. 1 DG LSA.
Der Antragsteller steht seit März 2014 als Polizeimeisteranwärter im Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Land Sachsen-Anhalt. In dem hier maßgeblichen Zeitraum nahm er an einer von der Antragsgegnerin durchgeführten Ausbildung für den mittleren Polizeidienst teil.
Gegen den Antragsteller werden derzeit strafrechtliche Ermittlungen geführt, die folgenden Vorwurf zum Gegenstand haben:
Der Antragsteller habe am (...) Juli 2015 gegen 2.30 Uhr mit einem Atemalkoholwert von 1,63 Promille ein Kraftfahrzeug geführt. Auf der L 222/Höhe “Hamburger“ in Richtung BAB 38 habe er ein Anhaltesignal des Anhaltepostens einer allgemeinen Verkehrskontrolle missachtet. Nach ca. 200 Metern sei er durch einen ihm folgenden Funkstreifenwagen gestoppt worden. Bei seinem Aussteigen aus dem Fahrzeug habe er starke Gleichgewichtsstörungen aufgewiesen.
Mit Verfügung vom 08.07.15 leitete der Rektor der Fachhochschule Polizei dienstrechtliche Ermittlungen ein und ordnete zugleich die vorläufige Dienstenthebung des Antragstellers gem. § 34 Abs. 4 und 5 LBG LSA i. V. m. § 38 Abs. 1 DG LSA an. Zur Begründung wurde ausgeführt: Sollte sich der vorgeworfene Sachverhalt bestätigen, hätte der Antragsteller ein außerdienstliches Dienstvergehen gem. § 47 Abs. 1 BeamtStG begangen, welches in besonderem Maße geeignet sei, das Vertrauen in einer für sein Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Die dem Antragsteller vorgeworfene Handlung hätte bei einem Beamten auf Lebenszeit mindestens eine Kürzung der Dienstbezüge zur Folge, weshalb er als Beamter auf Widerruf jederzeit entlassen werden könne. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass die Berechtigung zum Führen eines Kraftfahrzeugs für einen Polizeivollzugsbeamten unabdingbar sei; ohne Fahrerlaubnis sei die vollumfängliche Absolvierung des Vorbereitungsdienstes und damit auch der Erwerb der Laufbahnbefähigung unmöglich.
Den dagegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. § 61 DG LSA begründete der Antragsteller damit, dass er sich in einer Notwehrsituation gem. § 32 StGB befunden habe. Er habe mit seinem Bekannten in dem Fahrzeug übernachten wollen; dann habe er aber bemerkt, dass einige Jugendliche dem Fahrzeug näher gekommen seien und begonnen hätten, ihn und seinen Bekannten zu beschimpfen. Sie hätten dann beschlossen, eine kurze Strecke mit dem Auto zu fahren, um eine nahe gelegene Stelle zum Nächtigen aufzusuchen. Das Haltesignal der Polizei habe er übersehen, weil es in einer sehr schlecht einsehbaren Rechtskurve gegeben worden sei. Er habe insoweit auch nicht vorsätzlich gehandelt, denn er habe weder ein Fahrzeug unter Alkoholeinfluss führen noch sich absichtlich der Verkehrskontrolle entziehen wollen. Insgesamt handele es sich um ein einmaliges, persönlichkeitsfremdes Fehlverhalten, weshalb eine Entlassung aus dem Vorbereitungsdienst nicht in Betracht komme.
Das Verwaltungsgericht hat die Suspendierungsverfügung aufgehoben. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, es bestünden ernstliche Zweifel an deren Rechtmäßigkeit. Es sei nach gegenwärtigem Sach- und Rechtsstand nicht davon auszugehen, dass der Antragsteller eine Handlung begangen habe, die bei einem Beamten auf Lebenszeit mindestens eine Kürzung der Dienstbezüge zur Folge hätte. Es seien schon keine Umstände für ein zusätzliches Sanktionsbedürfnis im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 2 DG LSA neben einer Kriminalstrafe erkennbar. Auch seien die vom Antragsteller vorgebrachten Besonderheiten (Notwehrlage und Nichterkennen des Anhaltesignals) zu berücksichtigen.
Mit einer fristgerecht eingelegten Beschwerde vertritt die Antragsgegnerin weiter die Auffassung, das Führen eines Kraftfahrzeugs im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit stelle ein Versagen in einem Kernbereich des Polizeivollzugsdienstes dar. Das Verhalten des Antragstellers sei daher geeignet, das Vertrauen in einer für das Amt des Polizeidienstes bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Der Antragsteller habe auch vorsätzlich gehandelt, denn er habe weder eine Notwehrsituation glaubhaft dargestellt noch sei das Haltesignal der Polizeivollzugsbeamten unübersehbar gewesen. Auch sei hier im Hinblick auf die spezifische Pflichtenstellung von Polizeivollzugsbeamten die Disziplinarwürdigkeit des Handelns neben einer strafrechtlichen Verurteilung geboten. Die Trunkenheitsfahrt eines Polizeivollzugsbeamten hätte mindestens die Kürzung der Dienstbezüge zur Folge.
Der Antragsteller tritt dem entgegen. ...
In der Sache bleibt der Antragsteller bei seiner Position, dass grundsätzlich eine einmalige außerdienstliche Trunkenheitsfahrt eines Widerrufsbeamten im Polizeivollzugsdienst nicht zur Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf führen dürfe. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass er sich in einer Notwehrsituation befunden habe, weshalb insoweit bereits eine strafbare Handlung ausscheide. Das Überfahren des Anhaltesignals sei nicht vorsätzlich erfolgt, denn er habe es gar nicht wahrnehmen können. Insgesamt handele es sich um ein einmaliges persönlichkeitsfremdes Fehlverhalten, welches nicht zur Entlassung aus dem Vorbereitungsdienst führen dürfe.
Die Beschwerde ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte den Antrag gem. § 61 DG LSA ablehnen müssen, denn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Suspendierungsverfügung bestehen nicht.
Der Senat hatte zunächst Anlass, sich mit der Frage zu befassen, ob die streitgegenständliche Verfügung überhaupt der Nachprüfung durch die Disziplinargerichte unterliegt. Denn die Entlassung von Beamten auf Widerruf als solche gem. § 34 LBG LSA erfolgt durch Verwaltungsakt der für die Ernennung zuständigen Behörde, ist mithin als (rein) beamtenrechtliche Verfügung anzusehen. Im Übrigen ist die Entlassung von Beamten auf Widerruf im Wege des Disziplinarrechts schon deswegen nicht möglich, weil diesen gem. § 5 Abs. 3 Satz 1 DG LSA nur Verweise erteilt und Geldbußen auferlegt werden können. Mit der Regelung in § 5 Abs. 3 Satz 2 DG LSA ist dementsprechend ausdrücklich die Anwendbarkeit des § 23 Abs. 3 und 4 BeamtStG, mithin die Möglichkeit der Entlassung durch Verwaltungsakt vorbehalten worden. Indes hat der Gesetzgeber des Landes Sachsen-Anhalt - insoweit abweichend von Regelungen in anderen Bundesländern - in § 34 Abs. 4 und 5 LBG LSA die entsprechende Geltung von Regelungen des Disziplinargesetzes des Landes Sachsen-Anhalt angeordnet.
Der Senat versteht die v. g. Gesetzessystematik so, dass zwar die Entlassung eines Beamten auf Widerruf (nur) im Wege einer beamtenrechtlichen Entlassungsverfügung erfolgen kann, vorbereitenden bzw. vorläufigen Maßnahmen (wie gerade der Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung) indes Regelungen des Disziplinargesetzes zugrunde zu legen sind. Die entsprechende Geltung der nach § 34 Abs. 4 und 5 LBG LSA in Bezug genommenen Vorschriften der §§ 21 bis 29, 38 bis 40, 61 und 65 Abs. 3 DG LSA bewirkt zwar, dass es sich bei der Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung (vgl. § 38 Abs. 1 DG LSA) gegenüber einem Beamten auf Widerruf um eine Disziplinarmaßnahme handelt, welche von der für die Erhebung der Disziplinarklage zuständigen Behörde zu treffen ist. Allerdings folgt daraus auch, dass zumindest § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA lediglich mit seinem verfahrensgestaltenden Regelungsgehalt Anwendung findet, so dass das Vorliegen der Voraussetzungen der Norm nicht zu prüfen ist; dies würde auch keinen Sinn machen, denn Beamte auf Widerruf können - wie bereits ausgeführt - nicht im disziplinarrechtlichen Wege aus dem Dienst entfernt werden.
Sind danach die Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 DG LSA in dem hier zugrundeliegenden Verfahren nicht weiter zu prüfen, so gilt für die Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung von Beamten auf Widerruf folgendes:
Bei einem Beamten auf Widerruf genügt im Bundesbeamtenrecht für die Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung der Verdacht eines Dienstvergehens schlechthin. Gem. § 38 Abs. 1 Satz 1 BDG kann der Beamte vorläufig des Dienstes enthoben werden, wenn voraussichtlich eine Entlassung u. a. nach § 37 Abs. 1 Satz 1 BBG erfolgen wird. Insofern bestehen geringere Anforderungen als diejenigen, die bei der Suspendierung eines Beamten auf Probe oder auf Lebenszeit zu erfüllen sind. Während bei der vorgenannten Gruppe der Verdacht eines Dienstvergehens erfüllt sein muss, der mindestens eine Gehaltskürzung zur Folge hätte, genügt für die vorläufige Dienstenthebung eines Beamten auf Widerruf der Verdacht eines Dienstvergehens ohne diese Einschränkung. Diese geringeren Anforderungen sind deshalb gerechtfertigt, weil ein Beamter auf Widerruf jederzeit durch Widerruf entlassen werden kann, wobei insoweit ein sachlicher Grund vorliegen muss; ein derartiger sachlicher Grund kann in dem Verdacht eines Dienstvergehens liegen. Es reichen danach zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für ein Dienstvergehen aus, sodass regelmäßig mit der berechtigten Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen einen Beamten auf Widerruf auch dessen vorläufige Dienstenthebung ausgesprochen werden kann. Beamten im Vorbereitungsdienst ist grundsätzlich die Möglichkeit zum Ablegen der Laufbahnprüfung einzuräumen; dies gilt indes nicht, wenn sie sie sich schon als Anwärter auch unter Berücksichtigung des Ausbildungszwecks untragbar gemacht haben.
Die zum Bundesbeamtenrecht entwickelte Rechtsprechung ist auch auf die (aktuelle) Rechtslage in Sachsen-Anhalt übertragbar. Denn Beamte auf Widerruf können jederzeit gem. § 23 Abs. 4 BeamtStG entlassen werden, wobei ihnen Gelegenheit zur Absolvierung des Vorbereitungsdienstes und Ablegung der Laufbahnprüfung gegeben werden soll. Die Regelung in § 34 Abs. 4 und 5 LBG LSA steht dem nicht entgegen. Insbesondere ist dem Absatz 5 - anders als es das Verwaltungsgericht annimmt - nicht zu entnehmen, dass die Suspendierung von Beamten auf Widerruf den gleichen Voraussetzungen unterliegen soll wie diejenige von Beamten auf Probe, mithin das Vorliegen eines dermaßen schwerwiegenden Dienstvergehens voraussetzt, dass bei Beamten auf Lebenszeit mindestens eine Gehaltskürzung geboten wäre. § 34 Abs. 4 LBG LSA regelt das Verfahren zur Entlassung von Beamten auf Probe, insbesondere die Möglichkeit einer fristlosen Entlassung bei schweren Dienstvergehen; entsprechend gilt dies über die Regelung in Abs. 5 für die Entlassung von Widerrufsbeamten (vgl. dazu die Gesetzesbegründung in LT-Drs. 5/1710, S. 121/122). Soweit das Landesrecht in § 34 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 LBG LSA - abweichend etwa von der bundesrechtlichen Regelung in § 37 BBG - eine Bezugnahme auf Regelungen im Disziplinargesetz enthält, handelt es sich für die Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung im Hinblick auf eine mögliche Entlassung des Beamten lediglich um eine Verfahrensregelung. Es ist jedenfalls nicht davon auszugehen, dass insoweit - abweichend etwa von der bundesrechtlichen Regelung - die Suspendierung von Beamten auf Widerruf besonderen materiellen Anforderungen unterliegen sollte.
Danach hat die Antragsgegnerin zu Recht die Suspendierung des Antragstellers verfügt, denn sie konnte aufgrund des ihr vorliegenden Ergebnisses der polizeilichen Ermittlungen davon ausgehen, dass der Antragsteller ein (außerdienstliches) Dienstvergehen gem. § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG begangen hat. Stellt schon - jedenfalls für einen Polizeibeamten - das Führen eines Kraftfahrzeugs im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit ein Dienstvergehen dar, welches in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen in den Polizeidienst erheblich zu beeinträchtigen, so gilt dies erst recht, wenn es damit verbunden ist, dass sich der betr. Polizeibeamte einer Polizeikontrolle entzieht.
Der Senat vermag auch nicht die vom Antragsteller angeführten „besonderen Umstände“ zu erkennen. Soweit er zunächst das Vorliegen einer Notwehrlage gem. § 32 StGB behauptet, liegen schon die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vor. Es ist bereits nach seiner eigenen Einlassung fraglich, ob die sich dem Fahrzeug nähernden Jugendlichen tatsächlich einen gewalttätigen (körperlichen) Angriff planten; jedenfalls war das Verlassen des Geländes mit dem Pkw unter Alkoholeinwirkung nicht erforderlich, um einen konkreten Angriff abzuwenden. Vielmehr hätte sich dem Antragsteller als Polizeibeamten aufdrängen müssen, in einer solchen Situation polizeiliche Hilfe anzufordern oder aber das Gelände zu Fuß zu verlassen. Der Senat hält im Übrigen die weitere Einlassung des Antragstellers, er habe das Anhaltesignal der Verkehrskontrolle nicht wahrgenommen, für eine reine Schutzbehauptung. Es ist - auch unter Berücksichtigung der vom Antragsteller vorgelegten Skizze - nicht davon auszugehen, dass die Kontrolle an so versteckter Stelle stattgefunden hat, dass sie gleichsam übersehen werden musste. Der Senat hält es vielmehr für wahrscheinlich, dass der Antragsteller im Wissen um seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit das Haltesignal überfahren hat, um sich der Kontrolle zu entziehen.
Die Antragsgegnerin ist auch nicht gehalten, den Antragsteller so lange weiter im Vorbereitungsdienst zu belassen, bis er die Laufbahnprüfung ablegen kann. Mit Recht weist sie darauf hin, dass die Berechtigung zum Führen eines Kraftfahrzeugs für einen Polizeivollzugsbeamten und damit auch für einen Anwärter für die betr. Laufbahn unverzichtbar ist. Sie ist im Übrigen Voraussetzung für den Erwerb der sog. Polizeifahrberechtigung, die wiederum gem. § 21 APVO LG 1 Pol für den Erwerb der Laufbahnbefähigung erforderlich ist. Der Führerschein des Antragstellers ist bereits eingezogen worden; es spricht Vieles dafür, dass er im Zuge des Strafverfahrens mit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis zu rechnen hat und daher der Ausbildungszweck gar nicht erreicht werden kann. Unter diesen - vom Antragsteller selbst zu verantwortenden - Umständen ist ein besonders schutzwürdiges Interesse an einer Fortsetzung seines Vorbereitungsdienstes nicht zu erkennen.
Orientierungssatz
Bei einem Beamten auf Widerruf genügt für die Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung der Verdacht eines Dienstvergehens schlechthin.
Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist die vorläufige Dienstenthebung des Antragstellers gem. § 34 Abs. 4 und 5 LBG LSA i. V. m. § 38 Abs. 1 DG LSA.
Der Antragsteller steht seit März 2014 als Polizeimeisteranwärter im Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Land Sachsen-Anhalt. In dem hier maßgeblichen Zeitraum nahm er an einer von der Antragsgegnerin durchgeführten Ausbildung für den mittleren Polizeidienst teil.
Gegen den Antragsteller werden derzeit strafrechtliche Ermittlungen geführt, die folgenden Vorwurf zum Gegenstand haben:
Der Antragsteller habe am (...) Juli 2015 gegen 2.30 Uhr mit einem Atemalkoholwert von 1,63 Promille ein Kraftfahrzeug geführt. Auf der L 222/Höhe “Hamburger“ in Richtung BAB 38 habe er ein Anhaltesignal des Anhaltepostens einer allgemeinen Verkehrskontrolle missachtet. Nach ca. 200 Metern sei er durch einen ihm folgenden Funkstreifenwagen gestoppt worden. Bei seinem Aussteigen aus dem Fahrzeug habe er starke Gleichgewichtsstörungen aufgewiesen.
Mit Verfügung vom 08.07.15 leitete der Rektor der Fachhochschule Polizei dienstrechtliche Ermittlungen ein und ordnete zugleich die vorläufige Dienstenthebung des Antragstellers gem. § 34 Abs. 4 und 5 LBG LSA i. V. m. § 38 Abs. 1 DG LSA an. Zur Begründung wurde ausgeführt: Sollte sich der vorgeworfene Sachverhalt bestätigen, hätte der Antragsteller ein außerdienstliches Dienstvergehen gem. § 47 Abs. 1 BeamtStG begangen, welches in besonderem Maße geeignet sei, das Vertrauen in einer für sein Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Die dem Antragsteller vorgeworfene Handlung hätte bei einem Beamten auf Lebenszeit mindestens eine Kürzung der Dienstbezüge zur Folge, weshalb er als Beamter auf Widerruf jederzeit entlassen werden könne. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass die Berechtigung zum Führen eines Kraftfahrzeugs für einen Polizeivollzugsbeamten unabdingbar sei; ohne Fahrerlaubnis sei die vollumfängliche Absolvierung des Vorbereitungsdienstes und damit auch der Erwerb der Laufbahnbefähigung unmöglich.
Den dagegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. § 61 DG LSA begründete der Antragsteller damit, dass er sich in einer Notwehrsituation gem. § 32 StGB befunden habe. Er habe mit seinem Bekannten in dem Fahrzeug übernachten wollen; dann habe er aber bemerkt, dass einige Jugendliche dem Fahrzeug näher gekommen seien und begonnen hätten, ihn und seinen Bekannten zu beschimpfen. Sie hätten dann beschlossen, eine kurze Strecke mit dem Auto zu fahren, um eine nahe gelegene Stelle zum Nächtigen aufzusuchen. Das Haltesignal der Polizei habe er übersehen, weil es in einer sehr schlecht einsehbaren Rechtskurve gegeben worden sei. Er habe insoweit auch nicht vorsätzlich gehandelt, denn er habe weder ein Fahrzeug unter Alkoholeinfluss führen noch sich absichtlich der Verkehrskontrolle entziehen wollen. Insgesamt handele es sich um ein einmaliges, persönlichkeitsfremdes Fehlverhalten, weshalb eine Entlassung aus dem Vorbereitungsdienst nicht in Betracht komme.
Das Verwaltungsgericht hat die Suspendierungsverfügung aufgehoben. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, es bestünden ernstliche Zweifel an deren Rechtmäßigkeit. Es sei nach gegenwärtigem Sach- und Rechtsstand nicht davon auszugehen, dass der Antragsteller eine Handlung begangen habe, die bei einem Beamten auf Lebenszeit mindestens eine Kürzung der Dienstbezüge zur Folge hätte. Es seien schon keine Umstände für ein zusätzliches Sanktionsbedürfnis im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 2 DG LSA neben einer Kriminalstrafe erkennbar. Auch seien die vom Antragsteller vorgebrachten Besonderheiten (Notwehrlage und Nichterkennen des Anhaltesignals) zu berücksichtigen.
Mit einer fristgerecht eingelegten Beschwerde vertritt die Antragsgegnerin weiter die Auffassung, das Führen eines Kraftfahrzeugs im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit stelle ein Versagen in einem Kernbereich des Polizeivollzugsdienstes dar. Das Verhalten des Antragstellers sei daher geeignet, das Vertrauen in einer für das Amt des Polizeidienstes bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Der Antragsteller habe auch vorsätzlich gehandelt, denn er habe weder eine Notwehrsituation glaubhaft dargestellt noch sei das Haltesignal der Polizeivollzugsbeamten unübersehbar gewesen. Auch sei hier im Hinblick auf die spezifische Pflichtenstellung von Polizeivollzugsbeamten die Disziplinarwürdigkeit des Handelns neben einer strafrechtlichen Verurteilung geboten. Die Trunkenheitsfahrt eines Polizeivollzugsbeamten hätte mindestens die Kürzung der Dienstbezüge zur Folge.
Der Antragsteller tritt dem entgegen. ...
In der Sache bleibt der Antragsteller bei seiner Position, dass grundsätzlich eine einmalige außerdienstliche Trunkenheitsfahrt eines Widerrufsbeamten im Polizeivollzugsdienst nicht zur Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf führen dürfe. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass er sich in einer Notwehrsituation befunden habe, weshalb insoweit bereits eine strafbare Handlung ausscheide. Das Überfahren des Anhaltesignals sei nicht vorsätzlich erfolgt, denn er habe es gar nicht wahrnehmen können. Insgesamt handele es sich um ein einmaliges persönlichkeitsfremdes Fehlverhalten, welches nicht zur Entlassung aus dem Vorbereitungsdienst führen dürfe.
Die Beschwerde ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte den Antrag gem. § 61 DG LSA ablehnen müssen, denn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Suspendierungsverfügung bestehen nicht.
Der Senat hatte zunächst Anlass, sich mit der Frage zu befassen, ob die streitgegenständliche Verfügung überhaupt der Nachprüfung durch die Disziplinargerichte unterliegt. Denn die Entlassung von Beamten auf Widerruf als solche gem. § 34 LBG LSA erfolgt durch Verwaltungsakt der für die Ernennung zuständigen Behörde, ist mithin als (rein) beamtenrechtliche Verfügung anzusehen. Im Übrigen ist die Entlassung von Beamten auf Widerruf im Wege des Disziplinarrechts schon deswegen nicht möglich, weil diesen gem. § 5 Abs. 3 Satz 1 DG LSA nur Verweise erteilt und Geldbußen auferlegt werden können. Mit der Regelung in § 5 Abs. 3 Satz 2 DG LSA ist dementsprechend ausdrücklich die Anwendbarkeit des § 23 Abs. 3 und 4 BeamtStG, mithin die Möglichkeit der Entlassung durch Verwaltungsakt vorbehalten worden. Indes hat der Gesetzgeber des Landes Sachsen-Anhalt - insoweit abweichend von Regelungen in anderen Bundesländern - in § 34 Abs. 4 und 5 LBG LSA die entsprechende Geltung von Regelungen des Disziplinargesetzes des Landes Sachsen-Anhalt angeordnet.
Der Senat versteht die v. g. Gesetzessystematik so, dass zwar die Entlassung eines Beamten auf Widerruf (nur) im Wege einer beamtenrechtlichen Entlassungsverfügung erfolgen kann, vorbereitenden bzw. vorläufigen Maßnahmen (wie gerade der Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung) indes Regelungen des Disziplinargesetzes zugrunde zu legen sind. Die entsprechende Geltung der nach § 34 Abs. 4 und 5 LBG LSA in Bezug genommenen Vorschriften der §§ 21 bis 29, 38 bis 40, 61 und 65 Abs. 3 DG LSA bewirkt zwar, dass es sich bei der Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung (vgl. § 38 Abs. 1 DG LSA) gegenüber einem Beamten auf Widerruf um eine Disziplinarmaßnahme handelt, welche von der für die Erhebung der Disziplinarklage zuständigen Behörde zu treffen ist. Allerdings folgt daraus auch, dass zumindest § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA lediglich mit seinem verfahrensgestaltenden Regelungsgehalt Anwendung findet, so dass das Vorliegen der Voraussetzungen der Norm nicht zu prüfen ist; dies würde auch keinen Sinn machen, denn Beamte auf Widerruf können - wie bereits ausgeführt - nicht im disziplinarrechtlichen Wege aus dem Dienst entfernt werden.
Sind danach die Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 DG LSA in dem hier zugrundeliegenden Verfahren nicht weiter zu prüfen, so gilt für die Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung von Beamten auf Widerruf folgendes:
Bei einem Beamten auf Widerruf genügt im Bundesbeamtenrecht für die Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung der Verdacht eines Dienstvergehens schlechthin. Gem. § 38 Abs. 1 Satz 1 BDG kann der Beamte vorläufig des Dienstes enthoben werden, wenn voraussichtlich eine Entlassung u. a. nach § 37 Abs. 1 Satz 1 BBG erfolgen wird. Insofern bestehen geringere Anforderungen als diejenigen, die bei der Suspendierung eines Beamten auf Probe oder auf Lebenszeit zu erfüllen sind. Während bei der vorgenannten Gruppe der Verdacht eines Dienstvergehens erfüllt sein muss, der mindestens eine Gehaltskürzung zur Folge hätte, genügt für die vorläufige Dienstenthebung eines Beamten auf Widerruf der Verdacht eines Dienstvergehens ohne diese Einschränkung. Diese geringeren Anforderungen sind deshalb gerechtfertigt, weil ein Beamter auf Widerruf jederzeit durch Widerruf entlassen werden kann, wobei insoweit ein sachlicher Grund vorliegen muss; ein derartiger sachlicher Grund kann in dem Verdacht eines Dienstvergehens liegen. Es reichen danach zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für ein Dienstvergehen aus, sodass regelmäßig mit der berechtigten Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen einen Beamten auf Widerruf auch dessen vorläufige Dienstenthebung ausgesprochen werden kann. Beamten im Vorbereitungsdienst ist grundsätzlich die Möglichkeit zum Ablegen der Laufbahnprüfung einzuräumen; dies gilt indes nicht, wenn sie sie sich schon als Anwärter auch unter Berücksichtigung des Ausbildungszwecks untragbar gemacht haben.
Die zum Bundesbeamtenrecht entwickelte Rechtsprechung ist auch auf die (aktuelle) Rechtslage in Sachsen-Anhalt übertragbar. Denn Beamte auf Widerruf können jederzeit gem. § 23 Abs. 4 BeamtStG entlassen werden, wobei ihnen Gelegenheit zur Absolvierung des Vorbereitungsdienstes und Ablegung der Laufbahnprüfung gegeben werden soll. Die Regelung in § 34 Abs. 4 und 5 LBG LSA steht dem nicht entgegen. Insbesondere ist dem Absatz 5 - anders als es das Verwaltungsgericht annimmt - nicht zu entnehmen, dass die Suspendierung von Beamten auf Widerruf den gleichen Voraussetzungen unterliegen soll wie diejenige von Beamten auf Probe, mithin das Vorliegen eines dermaßen schwerwiegenden Dienstvergehens voraussetzt, dass bei Beamten auf Lebenszeit mindestens eine Gehaltskürzung geboten wäre. § 34 Abs. 4 LBG LSA regelt das Verfahren zur Entlassung von Beamten auf Probe, insbesondere die Möglichkeit einer fristlosen Entlassung bei schweren Dienstvergehen; entsprechend gilt dies über die Regelung in Abs. 5 für die Entlassung von Widerrufsbeamten (vgl. dazu die Gesetzesbegründung in LT-Drs. 5/1710, S. 121/122). Soweit das Landesrecht in § 34 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 LBG LSA - abweichend etwa von der bundesrechtlichen Regelung in § 37 BBG - eine Bezugnahme auf Regelungen im Disziplinargesetz enthält, handelt es sich für die Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung im Hinblick auf eine mögliche Entlassung des Beamten lediglich um eine Verfahrensregelung. Es ist jedenfalls nicht davon auszugehen, dass insoweit - abweichend etwa von der bundesrechtlichen Regelung - die Suspendierung von Beamten auf Widerruf besonderen materiellen Anforderungen unterliegen sollte.
Danach hat die Antragsgegnerin zu Recht die Suspendierung des Antragstellers verfügt, denn sie konnte aufgrund des ihr vorliegenden Ergebnisses der polizeilichen Ermittlungen davon ausgehen, dass der Antragsteller ein (außerdienstliches) Dienstvergehen gem. § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG begangen hat. Stellt schon - jedenfalls für einen Polizeibeamten - das Führen eines Kraftfahrzeugs im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit ein Dienstvergehen dar, welches in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen in den Polizeidienst erheblich zu beeinträchtigen, so gilt dies erst recht, wenn es damit verbunden ist, dass sich der betr. Polizeibeamte einer Polizeikontrolle entzieht.
Der Senat vermag auch nicht die vom Antragsteller angeführten „besonderen Umstände“ zu erkennen. Soweit er zunächst das Vorliegen einer Notwehrlage gem. § 32 StGB behauptet, liegen schon die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vor. Es ist bereits nach seiner eigenen Einlassung fraglich, ob die sich dem Fahrzeug nähernden Jugendlichen tatsächlich einen gewalttätigen (körperlichen) Angriff planten; jedenfalls war das Verlassen des Geländes mit dem Pkw unter Alkoholeinwirkung nicht erforderlich, um einen konkreten Angriff abzuwenden. Vielmehr hätte sich dem Antragsteller als Polizeibeamten aufdrängen müssen, in einer solchen Situation polizeiliche Hilfe anzufordern oder aber das Gelände zu Fuß zu verlassen. Der Senat hält im Übrigen die weitere Einlassung des Antragstellers, er habe das Anhaltesignal der Verkehrskontrolle nicht wahrgenommen, für eine reine Schutzbehauptung. Es ist - auch unter Berücksichtigung der vom Antragsteller vorgelegten Skizze - nicht davon auszugehen, dass die Kontrolle an so versteckter Stelle stattgefunden hat, dass sie gleichsam übersehen werden musste. Der Senat hält es vielmehr für wahrscheinlich, dass der Antragsteller im Wissen um seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit das Haltesignal überfahren hat, um sich der Kontrolle zu entziehen.
Die Antragsgegnerin ist auch nicht gehalten, den Antragsteller so lange weiter im Vorbereitungsdienst zu belassen, bis er die Laufbahnprüfung ablegen kann. Mit Recht weist sie darauf hin, dass die Berechtigung zum Führen eines Kraftfahrzeugs für einen Polizeivollzugsbeamten und damit auch für einen Anwärter für die betr. Laufbahn unverzichtbar ist. Sie ist im Übrigen Voraussetzung für den Erwerb der sog. Polizeifahrberechtigung, die wiederum gem. § 21 APVO LG 1 Pol für den Erwerb der Laufbahnbefähigung erforderlich ist. Der Führerschein des Antragstellers ist bereits eingezogen worden; es spricht Vieles dafür, dass er im Zuge des Strafverfahrens mit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis zu rechnen hat und daher der Ausbildungszweck gar nicht erreicht werden kann. Unter diesen - vom Antragsteller selbst zu verantwortenden - Umständen ist ein besonders schutzwürdiges Interesse an einer Fortsetzung seines Vorbereitungsdienstes nicht zu erkennen.