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Disziplinarrecht: Mitwirkung des Personalrats bei Disziplinarklage

Mitwirkung des Personalrats bei Erhebung der Disziplinarklage gegen den Beamten

Vor Erhebung der Disziplinarklage besteht ein Mitwirkungsrecht des Personalrats, § 84 Absatz 1 Ziffer 4 BPersVG neu (bis Mitte 2021 § 78 I Nr. 3 BPersVG alt), jedenfalls auf Antrag des Beamten, der darüber zu  belehren ist.
Das Mitwirkungsrecht des Personalrats (bzw. im Bereich Post, Telekom usw. ggf. des Betriebsrats) erstreckt sich nur auf das "ob" der Klageerhebung, nicht aber auf die Einzelheiten der Antragsstellung oder gar die Klagbegründung.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Urteil vom 20.10.05 - 2 C 12.04 - dazu ausgeführt:

"Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass sich die Mitwirkung des Betriebsrats bei Erhebung der Disziplinarklage nur auf die grundlegende Entscheidung bezieht, Disziplinarklage zu erheben. Der Inhalt der Klageschrift, insbesondere die Antragstellung, unterliegt nicht der Mitwirkung. Demzufolge müssen Einwendungen des Betriebsrats inhaltlich das "Ob" der Klageerhebung zum Gegenstand haben. Dabei kann der Betriebsrat gemäß § 78 Abs. 2 Satz 3 BPersVG, § 29 Abs. 5 Satz 2 PostPersRG Einwendungen auf die in § 77 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BPersVG bezeichneten Gründe stützen.

Die personalvertretungsrechtliche Mitwirkung "bei" Erhebung der Disziplinarklage gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BPersVG knüpft schon vom Wortlaut her an die "Erhebung der Disziplinarklage" gemäß § 34 BDG als eine Form der "Abschlussentscheidung" im behördlichen Disziplinarverfahren an. Soll aufgrund des Ergebnisses der disziplinarbehördlichen Ermittlungen gegen den Beamten auf Zurückstufung, auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden, so ist gegen ihn Disziplinarklage zu erheben (§ 34 Abs. 1 BDG). Mit dem Entschluss des Dienstherrn zur Klageerhebung entsteht der Mitwirkungstatbestand des § 78 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG, der sich - nach Erfüllung der personalvertretungsrechtlichen Hinweispflicht gemäß § 78 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BPersVG - aber erst auf Antrag des Beamten aktualisiert."

Leider hat das Bundesverwaltungsgericht seine Rechtsprechung, dass die Unterrichtung des Personalrats nicht ins Einzelne gehen müsse, später in anderem Zusammenhang (es ging um Versetzung in den Ruhestand) mit anderen Worten noch einmal bekräftigt.

Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 30.04.13 - BVerwG 2 B 10.12 -

Die Frage des Umfangs der Verpflichtung der Dienststellenleitung zur Erteilung von Informationen und der etwaigen Zurverfügungstellung von Unterlagen ist durch die ... Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt: Der Umfang der Unterrichtung des Personalrats richtet sich im Einzelfall jeweils danach, für welche Maßnahme die Zustimmung beantragt wird. Bei der Mitbestimmung in Personalangelegenheiten, die einen einzelnen Beschäftigten betreffen, genügt es regelmäßig, dass der Personalrat über die beabsichtigte Maßnahme selbst, d.h. über die davon betroffene Person sowie über Art und Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Maßnahme, informiert wird (Beschluss vom 10.08.1987 - BVerwG 6 P 22.84 - BVerwGE 78, 65 <69>). Die Unterrichtung muss konkret genug sein sowie Art und Umfang der beabsichtigten Maßnahme erkennen lassen. Eine irreführende oder auf Täuschung beruhende Unterrichtung durch die Dienststelle entspricht diesen Anforderungen nicht und führt zur Anfechtbarkeit der getroffenen Maßnahme. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, wenn der Personalrat in kurzer und knapper Form zutreffend über die beabsichtigte Maßnahme unterrichtet wird (Urteil vom 12.10.1989 - BVerwG 2 C 22.87 - BVerwGE 82, 356 <362>; Beschluss vom 19.08.04 - BVerwG 2 B 54.04 -).


Ruhestandsbeamte gehören nicht zum "geschützten" Personenkreis

In der folgenden Entscheidung ging es um eine auf Aberkennung des Ruhegehalts gerichtete Disziplinarklage gegen einen Ruhetandsbeamten.

Oberverwaltungsgericht NRW, Urteil vom 28.07.21- 3d A 2195/19.O -
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Bei der unterlassenen Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung und dem unterbliebenen Hinweis auf eine mögliche Beteiligung des Personalrats vor Erhebung der Disziplinarklage handelt es sich bereits nicht um Verfahrensmängel. Der Anwendungsbereich dieser Vorschriften war hier nicht eröffnet, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat.
Der Beklagte befand sich bei Erhebung der Disziplinarklage bereits im Ruhestand und war deshalb nicht mehr Beamter im Sinne des Personalvertretungsgesetzes.
Gemäß § 5 Abs. 2 LPVG NRW bestimmen die Beamtengesetze, wer Beamter ist.
Die für die Statusrechte und-pflichten der Beamten maßgebliche Vorschrift des § 21 Nr. 4 BeamtStG regelt, dass das Beamtenverhältnis durch Eintritt oder Versetzung in den Ruhestand endet.
Daraus folgt, dass das Beamtenstatusgesetz, wenn es von Beamten und Beamtenverhältnis spricht, den aktiven Beamten und dessen Rechte und Pflichten und nicht den Ruhestandsbeamten und dessen sich an das aktive Beamtenverhältnis anschließende Ruhestandsbeamtenverhältnis meint.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.01.15 – 2 B 15.14 –, Rn. 9 f., OVG NRW, Urteil vom 09.03.15 – 3d A 2434/13.O –, Rn. 70.
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Es besteht in der vorliegenden Konstellation auch kein personalvertretungsrechtlicher Schutzbedarf, der eine Mitwirkung des Personalrats an personellen Maßnahmen, die "ehemalige" Dienststellenangehörige betreffen, erfordern könnte.
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Vgl. den Beschluss des OVG NRW vom 11.02.15 – 6 A 1832/12 –, Rn. 18 m.w.N.
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Das ist nämlich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur anzunehmen, wenn die Bindungen zur Dienststelle fortbestehen und der Schutzzweck der Beteiligung das Tätigwerden des Personalrats erfordert.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.01.08 – 6 P 5.07 –, Rn. 13.
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Fortbestehende Bindungen in diesem Sinne sind etwa gegeben während längerfristiger Beurlaubungen. Die organisatorische Zuordnung zur Dienststelle bleibt in diesem Fall erhalten, weil der Beamte grundsätzlich den Dienst nach dem Ende der Beurlaubung in der "alten" Dienststelle wieder aufzunehmen hat. Durch die Fortgeltung rechtlicher und tatsächlicher Bindungen zur Dienststelle unterscheidet sich der vorgenannte Personenkreis wesentlich von Personen, die weder in einem Dienstverhältnis zum Rechtsträger der Dienststelle stehen noch durch Verrichtung weisungsabhängiger Tätigkeit tatsächlich in die Dienststelle eingegliedert sind.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.01.08 – 6 P 5.07 –, Rn. 24.
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Bei Ruhestandsbeamten besteht eine solche Bindung typischerweise nicht fort.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.01.15 – 2 B 15.14 –, Rn. 9 f.
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Etwas anderes kann möglicherweise gelten, wenn es um Ansprüche der ehemaligen Dienststelle gegen den Ruhestandsbeamten geht, denen Verfehlungen des Beamten in seiner aktiven Dienstzeit zugrunde liegen. In Bezug auf solche Schadensersatzansprüche kann sich ein fortbestehender Bezug zur Dienststelle ergeben, der im Hinblick auf denkbare Ansprüche gegen andere Beschäftigte eine Mitwirkung der Personalvertretung im Interesse u. a. der noch aktiven Beamten erfordern kann.
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So OVG NRW, Beschluss vom 11.02.15 – 6 A 1832/12 –, Rn. 26.
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Diese ausdrücklich den Belangen anderer aktiver Beschäftigter Rechnung tragenden Erwägungen rechtfertigen nicht eine grundsätzliche Ausdehnung des Mitbestimmungsrechts der Personalvertretung auf statusrechtliche Maßnahmen, die sich gegen Ruhestandbeamte richten und allein deren individuelle Interessen betreffen.
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Das Unterbleiben einer Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung vor Erhebung der Disziplinarklage stellt ebenfalls keinen Verfahrensmangel dar. Der Senat nimmt insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts auf den Seiten 11 und 12 der Urteilsausfertigung und auf die dort zitierte Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs,
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Bay. VGH, Urteil vom 28.06.17 – 16a D 15.1484 –, Rn. 46.
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Bezug.
Eine Verpflichtung des Klägers, die Schwerbehindertenvertretung vor Erlass der abschließenden Entscheidung anzuhören, ergibt sich auch nicht aus dessen Schreiben vom 03.06.15. Aus der dortigen Ankündigung einer entsprechenden Anhörung gegenüber dem Vorsitzenden der Schwerbehindertenvertretung lässt sich bereits nicht folgern, dass er eine solche Anhörung auch bei einem Disziplinarverfahren gegen einen Ruhestandsbeamten als erforderlich angesehen hat. In dem Ermittlungsbericht, der dem Vorsitzenden zur Information übersandt wurde, ist zwar die Zurruhesetzung des Beklagten erwähnt, unmittelbar anschließend wird aber auf eine Mitte Mai 2015 vorgesehene erneute amtsärztliche Untersuchung hingewiesen. Daraus ergibt sich, dass es aus Sicht des Klägers in Bezug auf den Status des Beklagten als Ruhestandsbeamter durchaus noch vor Erlass der abschließenden Entscheidung eine Veränderung hätte geben können. Wäre der Beklagte reaktiviert worden, hätte die Schwerbehindertenvertretung angehört werden müssen. Abgesehen davon vermag eine – ggf. fehlerhafte oder irrtümliche – Ankündigung einer letztlich dann unterbliebenen Anhörung keine gesetzlich nicht vorgesehenen Beteiligungsrechte im Disziplinarverfahren zu begründen.
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Bundesdisziplinarrecht
Disziplinarverfahren Unterrichtung d. Beamten Belehrung vor Anhörung Wahrheitspflicht? Geständnis Ermittlungen (§§ 20 - 30) Akteneinsichtsrecht Aussetzung, § 22 BDG Beweisantragsrecht Anwesenheit/ Fragerecht - Ladung - Anwesenheitsrecht Observation zulässig? Begutachtung durch Amtsarzt? Durchsuchung, § 27 BDG Protokollierung abschließende Anhörung schwerere Fälle - § 31 Einstellung - § 32 BDG Disziplinarverfügung Disziplinarklage - § 34 BDG Beschleunigungsgebot Fristsetzung § 62 BDG