Entlassung eines Beamten auf Probe wegen Dienstvergehens
VG Göttingen, Beschluss vom 10.12.02 - 3 B 3341 / 02 -
Entlassung eines Polizeimeisters im BGS wegen außerdienstlichen Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz und vorsätzlich falscher Angaben in einem Trennungsgeldantrag.
Entlassung eines Polizeimeisters im BGS wegen außerdienstlichen Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz und vorsätzlich falscher Angaben in einem Trennungsgeldantrag.
Das Gericht befasst sich mit der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe nach § 31 I Nr. 1 BBG in der Fassung vor Februar 2009. [Heute ist § 34 BBG einschlägig.]
Nach dieser Vorschrift kann ein Beamter auf Probe wegen eines Dienstvergehens, das bei einem Beamten auf Lebenszeit mindestens eine (disziplinarrechtliche) Kürzung der Dienstbezüge zur Folge hätte, entlassen werden.
Vor der Entlassung ist der Sachverhalt aufzuklären, wobei die §§ 21 bis 29 des Bundesdisziplinargesetzes entsprechend gelten.
§ 31 I Nr. 1 BBG (bzw. jetzt § 34 BBG) beruht auf der Erwägung, dass bei Beamten auf Probe, die sich eines mittleren bis schweren Dienstvergehens schuldig gemacht haben, die Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit regelmäßig nicht vertretbar erscheint. Ein Disziplinarverfahren, in dem auf Kürzung der Dienstbezüge, Zurückstufung oder Entfernung aus dem Amt erkannt werden kann, ist gegen Beamte auf Probe aus diesem Grunde entbehrlich und auch unzulässig (§ 5 II BDG). Die Entlassung nach § 31 I Nr. 1 BBG (bzw. jetzt § 34 BBG) ist keine disziplinarrechtliche, sondern eine beamtenrechtliche Entscheidung.
Die Voraussetzungen des § 31 I Nr. 1 BBG sind nach Auffassung des Gerichts erfüllt.
Dem Beamten wird Verschiedenes vorgeworfen. Das Gericht beschränkt sich auf zwei von sechs Vorfällen:
2. Der Beamte habe anlässlich einer Abordnung Trennungsgeld beantragt, obwohl er krank gewesen sei und keinen Dienst geleistet habe. Den Hinweis des Dienstherrn, die Angaben in seinen Trennungsgeldanträgen könnten nicht den Tatsachen entsprechen, habe er nicht beachtet, sondern die ihm zur Überprüfung zurückgereichten Anträge unverändert erneut mit der Bitte um Erstattung eingereicht. Das deshalb gegen ihn eingeleitete Strafverfahren wegen versuchten Betruges hat das AG gem. § 153 a StPO mit der Auflage einer Zahlung von 500,00 DM eingestellt.
3. ...
4. ...
5. Er habe einen mit Bauschutt beladenen, nicht zugelassenen und nicht haftpflichtversicherten Pkw-Anhänger hinter den PKW eines Zeugen gehängt und sei als Beifahrer mitgefahren, als der Zeuge das Gespann gefahren habe. Auf einem Gelände außerhalb der Stadt habe der Beamte den Bauschutt abgekippt. Wegen Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz ist er durch rechtskräftiges Urteil des AG zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 75,00 DM verurteilt worden.
6. ...
Das die Tatvorwürfe zu 2 und 5 umfassende, einheitliche und insgesamt mittelschwere Dienstvergehen hätte, so meint das Gericht, bei einem Beamten auf Lebenszeit mindestens eine Kürzung der Dienstbezüge zur Folge.
Hinsichtlich des Verhaltens zu 5 sind die tatsächlichen Feststellungen des rechtskräftigen Urteils des Amtsgerichts für die disziplinarrechtliche Würdigung gemäß §§ 23, 57 BDG bindend. Soweit der Beamte wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz verurteilt worden ist, hat er durch die Straftat vorsätzlich gegen die Verpflichtung verstoßen, dass sein Verhalten auch außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden muss, die sein Beruf erfordert, und dadurch ein außerdienstliches Dienstvergehen begangen.
Sein Verhalten war in besonderem Maße geeignet, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.
Das ist der Fall, wenn das Verhalten Rückschlüsse darauf zulässt, dass der Beamte die ihm obliegenden Dienstpflichten nicht oder unzureichend erfüllen wird. Je näher der Bezug des außerdienstlichen Fehlverhaltens zu dem ihm übertragenen Aufgabenbereich ist, um so eher kann davon ausgegangen werden, dass sein Verhalten geeignet ist, die Achtung und das Vertrauen zu beeinträchtigen, die sein Beruf erfordert. Besteht zwischen dem vorgeworfenen Verhalten und den mit dem Amt einhergehenden Aufgaben eine enge Verbindung, indem ein mit der Verhinderung und Verfolgung von Straftaten betrauter Polizeibeamter selbst eine Straftat begeht, ist von einer solchen Beeinträchtigung auszugehen (vgl. BVerwG, ZBR 2002, 212 f.). Wer als Polizeivollzugsbeamter bewusst und gewollt gegen das Pflichtversicherungsgesetz verstößt, offenbart eine besondere Verantwortungslosigkeit, die darauf schließen lässt, dass er auch die ihm obliegenden Dienstpflichten nicht oder nur unzureichend erfüllen wird. Auch nach heutiger Anschauung wird ein von einem Polizeivollzugsbeamten vorsätzlich begangener Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz von der Öffentlichkeit anders beurteilt als die gleiche Straftat eines Durchschnittsbürgers oder eines anderen Beamten.
Im vorliegenden Fall hat sich der Beamte nicht nur bedenkenlos über ein wichtiges Gesetz hinweggesetzt, sondern sich im Rahmen seiner Verteidigung vor dem AG auch solcher Mittel bedient, die bei einem Polizeivollzugsbeamten als Zeichen einer verantwortungslosen Haltung gewertet werden müssen. So hat er nachträglich ein Entlastungsbeweisstück fabriziert und hat mit der Zeugin Z, die zu seinen Gunsten falsch ausgesagt hat, bewusst und gewollt die Ehefrau eines Kollegen in seine wahrheitswidrige Verteidigungsstrategie eingespannt.
Ähnlich wie bei der außerdienstlichen Verkehrsunfallflucht eines Polizeivollzugsbeamten ist bei einem außerdienstlichen, vorsätzlichen Verstoß eines Polizeivollzugsbeamten gegen das Pflichtversicherungsgesetz als Disziplinarmaßnahme grundsätzlich eine Kürzung der Dienstbezüge jedenfalls dann geboten, wenn Umstände vorliegen, die das Ausmaß des in Betracht kommenden Ansehensschadens besonders erheblich erscheinen lassen.
Hinsichtlich des Vorwurfs zu 2 - Geltendmachen überhöhten Trennungsgeldes auf Grund falscher Angaben im Trennungsgeldantrag - hat der Beamte schuldhaft ein Dienstvergehen begangen, das bei einem Beamten auf Lebenszeit mit Sicherheit eine Kürzung der Dienstbezüge zur Folge hätte.
Selbst wenn die Kammer zu Gunsten des Beamten unterstellt, dass er hinsichtlich des Trennungsgeldantrages nur grob fahrlässig gegen die Wahrheitspflicht verstoßen hat, ist ein solches grob fahrlässiges Dienstvergehen als immer noch so schwer wiegend anzusehen, dass es bei einem Beamten auf Lebenszeit mit einer Kürzung der Dienstbezüge zu ahnden wäre. Denn ein Beamter, der gegenüber Vorgesetzten und Dienststellen des Bundes leichtfertig (d. h. grob fahrlässig) unwahre Erklärungen im Zusammenhang mit der Erstattung von Trennungsgeld abgibt, büßt dadurch allgemein seine Glaubwürdigkeit ein (vgl. BVerwG, ZBR 2001, 50).
In der Entlassung des Beamten auf Probe liegt nach allem kein fehlerhafter Ermessensgebrauch des Dienstherrn.