Rücknahme der Ernennung
Es geht hier um eine eher seltene Konstellation mit möglicherweise sehr unfreulichen Konsequenzen: Unter bestimmten Voraussetzungen kann eine Ernennung zurückgenommen werden, etwa weil sie durch arglistige Täuschung bewirkt wurde. Am kritischten dürfte hier die falsche Antwort auf die Frage nach laufenden Ermittlungsverfahren sein, aber natürlich kommen zahlreiche weitere Modalitäten in Betracht.
Die Rücknahme der Ernennung wirkt dann auf den Tag der Einstellung zurück - und es sind auch die gezahlten Bezüge zurück zu erstatten.
Dies ist der Gegenstand der nachfolgenden Entscheidung, der Sie aber auch eine typische Rücknahmesituation entnehmen können.
OVG Sachsen, Urteil vom 14.02.17 - 2 A 169/16 11 K 473/13 -
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 6.10.14 - 11 K 473/13 - wird zurückgewiesen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von Anwärterbezügen in Höhe von 10.725,99 €.
Mit Wirkung zum 01.04.11 wurde der Kläger vom Beklagten unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Polizeikommissar-Anwärter ernannt. Er hatte zuvor eine Erklärung mit dem Inhalt unterschrieben, dass gegen ihn weder ein Ermittlungs- noch ein Strafverfahren seitens der Polizei, der Staatsanwaltschaft oder eines Gerichts sowie kein disziplinarrechtliches Vorermittlungsverfahren eingeleitet worden sei.
Am Nachmittag des 01.04.11 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass seine damalige Lebensgefährtin gegen ihn Strafanzeige wegen Körperverletzung erstattet habe wegen eines Vorfalls am 24.03.11, der am 28.03.11 der zuständigen Polizeibehörde zur Kenntnis gelangt war.
Nach Anhörung des Klägers mit Schreiben vom 08.08.11 nahm das Präsidium der Bereitschaftspolizei Sachsen mit Bescheid vom 29.09.11 die zum April 2011 erfolgte Ernennung des Klägers zurück und forderte die seither gezahlten Anwärterbezüge zurück, weil der Kläger zum Einstellungszeitpunkt verschwiegen habe, Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren zu sein und dadurch den Tatbestand der arglistigen Täuschung erfüllt habe.
Auf die hiergegen gerichtete Klage hob das Verwaltungsgericht Leipzig mit rechtskräftigem Urteil vom 29.03.12 - 3 K 1244/11 - den Bescheid vom 29.09.11 hinsichtlich der Rückforderung von Bezügen auf, weil die in Bezug genommene Vorschrift des § 16 Abs. 2 Satz 2 SächsBG keine ausreichende Anspruchsgrundlage darstelle; hinsichtlich der Rücknahme der Ernennung wies es die Klage ab.
Nach Anhörung des Klägers zur vollständigen Rückforderung der überzahlten Bezüge erließ das Landesamt für Steuern und Finanzen am 19.07.12 den streitgegenständlichen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid.
Darin wird ausgeführt, dass der Kläger nach § 12 Abs. 2 BBesG i. V. m. §§ 812 ff. BGB verpflichtet sei, die seit dem 01.04.11 bis 31.12.11 rechtsgrundlos erhaltenen Anwärterbezüge in Höhe von 10.725,99 € zurückzuzahlen. Durch die (rechtskräftige) Rücknahme der Ernennung sei der Anspruch auf Alimentation rückwirkend entfallen. Dem Landesamt sei durch Verfügung des Präsidiums der Bereitschaftspolizei vom 18.06.12 mitgeteilt worden, dass die dem Kläger gewährten Leistungen diesem nicht zu belassen seien (§ 16 Abs. 2 SächsBG). Da die vom Kläger herbeigeführte Täuschung des Dienstherrn ursächlich für die Rücknahme der Ernennung gewesen sei, könne er sich nicht auf den Wegfall der Bereicherung nach § 819 Abs. 1 BGB berufen. Vor diesem Hintergrund werde auch in Anwendung des § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG von einer vollständigen bzw. teilweisen Belassung der Anwärterbezüge abgesehen. Die Rückforderung werde vorerst bis zum 31.10.12 gestundet; über eine weitere Stundung und ggfs. Aufnahme einer angemessenen Ratenzahlung werde jeweils nach Einreichung neuer Einkommensnachweise entschieden.
Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.08.12 ... zurück.
Die am 01.10.12 erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 06.10.14 - 11 K 473/13 - ab.
Der auf § 17 SächsBesG a. F. i. V. m. § 12 BBesG gestützte Rückforderungsbescheid begegne keinen rechtlichen Bedenken. Die Grundsätze des sog. faktischen Beamtenverhältnisses seien nicht einschlägig. Wegen der verschärften Haftung könne sich der Kläger nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Die vom Beklagten nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG getroffene Billigkeitsentscheidung sei nicht zu beanstanden. Der Umstand, dass der Kläger bis zur Rücknahme der Ernennung im Dienst gewesen sei, habe keine weitergehende Billigkeitsentscheidung erfordert. Auch ein Mitverschulden des Beklagten an der Überzahlung scheide aus. Dies gelte auch für die nach Rücknahme der Ernennung zunächst erfolgte Weiterzahlung der Bezüge.
Auf den Antrag des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 17.03.16 - 2 A 535/14 - die Berufung auf der Grundlage von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen, zu deren Begründung der Kläger ausführt:
Der Rückforderungsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides sei rechtswidrig. Der Beklagte sei wegen der bereits im Zulassungsverfahren genannten Gründe von der Rückforderung der von ihm ab dem 08.08.11 gezahlten Bezüge ausgeschlossen. Zur Begründung werde auf den Schriftsatz vom 10.12.14 Bezug genommen. Dort hatte der Kläger ausgeführt, spätestens seit dem Anhörungsschreiben vom 08.08.11 zur beabsichtigten Rücknahme der Ernennung habe der Beklagte Kenntnis vom Wegfall des Rechtsgrundes für die Leistung von Bezügen an den Kläger gehabt. Wenn er gleichwohl weiter Bezüge geleistet habe, stelle dies ein widersprüchliches Verhalten dar, das er sich nach § 814 BGB entgegenhalten lassen müsse. Er könne sich nicht darauf berufen, dass die zunächst erfolgte Weitergewährung der Bezüge auf einer „maschinellen, in Masseverfahren nicht rückgängig zu machenden Einstellung“ beruhe.
Er sei entreichert; ihn treffe keine verschärfte Haftung nach § 819 BGB. Zwar habe er die der Rücknahme der Ernennung zugrunde gelegten Tatsachen gekannt. Er habe indessen keine Kenntnis von den hieraus zu ziehenden Rechtsfolgen gehabt, wie sich aus seinem nachfolgenden Verhalten bis zum Zeitpunkt seiner Entlassung ergebe. Hätte er Kenntnis der Rechtsfolgen gehabt, hätte er die für ihn unnütze Ausbildung abgebrochen und sich nicht für sein späteres Leben verschuldet. Dass mit der Rücknahme seiner Ernennung zu rechnen sei, habe sich ihm nicht aufdrängen müssen; ihm sei als juristischem Laien kein Sorgfaltsverstoß vorzuwerfen. Dem Einwand des Wegfalls der Bereicherung stehe auch nicht § 820 Abs. 1 Satz 2 BGB entgegen. Die Billigkeitsentscheidung des Beklagten, die Rückzahlung lediglich zu stunden, erweise sich entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts als ermessensfehlerhaft. Er sei bis zur Rücknahme seiner Ernennung im Dienst gewesen. Er habe mit der Rücknahme seiner Ernennung und der damit einhergehenden Rückforderung der Anwärterbezüge nicht gerechnet, sondern - für den Beklagten erkennbar - auf den Fortbestand des Beamtenverhältnisses vertraut. Andernfalls hätte er selbst seine Entlassung beantragt. Die Rückforderung sei auch nach den Grundsätzen des faktischen Beamtenverhältnisses ausgeschlossen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 06.10.14 - 11 K 473/13 - zu ändern und den Rückforderungsbescheid des Beklagten vom 19.07.12 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 28.08.12 aufzuheben ...
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. ...
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Rückforderungsbescheid des Beklagten vom 19.07.12 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 28.08.12 erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
1. Die Rechtsgrundlage für die Rückforderung folgt aus § 17 SächsBesG i. d. F. d. Bekanntmachung v. 28.01.1998 (SächsGVBl. S. 50) in der am 31.12.12 geltenden Fassung (im Weiteren a. F.) i. V. m. § 12 Abs. 2 BBesG i. d. F. d. Bekanntmachung v. 06.08.02 (BGBl. I S. 3020), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes v. 19.07.07 (BGBl. I S. 1457, 1458) i. V. m. § 16 Abs. 2 Satz 2 SächsBG i. d. F. d. Bekanntmachung v. 12.05.09 (SächsGVBl. S. 194) in der am 31.12.12 geltenden Fassung (im Weiteren a. F.).
Die beamtenrechtlichen Vorschriften über die Rückgewähr zuviel gezahlter Bezüge finden auch dann Anwendung, wenn - wie hier - die Ernennung zurückgenommen und damit rückwirkend das Beamtenverhältnis beseitigt worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.10.1999 - 2 C 11.99 -, Rn. 20 bis 23).
Gemäß § 12 Abs. 2 BBesG richtet sich die Rückforderung zuviel gezahlter Bezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes der Zahlung steht es gleich, wenn der Mangel so offensichtlich war, dass der Empfänger ihn hätte erkennen müssen.
Von der Rückforderung kann aus Billigkeitsgründen mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle ganz oder teilweise abgesehen werden.
Gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 SächsBG a. F. können dem Ernannten die ihm bis zur Zustellung der Rücknahmeverfügung gewährten Leistungen belassen werden; die Entscheidung hierüber trifft die Stelle, die über die Rücknahme entscheidet.
2. Gemessen an diesen Bestimmungen begegnet der streitgegenständliche Rückforderungsbescheid keinen rechtlichen Bedenken.
a) Eine Zuvielzahlung von Bezügen liegt vor, weil ein Rechtsgrund für ihre Zahlung nicht bestanden hat.
Denn der dem Kläger mit der Ernennung zum Polizeikommissar-Anwärter ab 01.04.11 zustehende Besoldungsanspruch ist durch die (rechtskräftige) Rücknahme der Ernennung mit Verfügung vom 29.09.11 mit Wirkung für die Vergangenheit entfallen.
b) Eine nach § 16 Abs. 2 Satz 2 SächsBG a. F. mögliche Belassung der gewährten Leistungen durch Entscheidung der für die Rücknahme zuständigen Stelle scheidet vorliegend aus. Die zuständige Behörde - das Präsidium der Bereitschaftspolizei Sachsen - hat am 18.06.12 entschieden, dass die dem Kläger gewährten Anwärterbezüge diesem nicht belassen werden, weil der Kläger seine Ernennung durch arglistige Täuschung herbeigeführt und damit die Voraussetzungen für die Rücknahme der Ernennung in vorwerfbarer Weise geschaffen habe. Zudem werde berücksichtigt, dass der Kläger im Rahmen seiner Ausbildung im gehobenen Polizeivollzugsdienst keine „echte Gegenleistung“ erbracht habe. Während seiner Ausbildung, insbesondere in den ersten sechs Monaten seines Vorstudiums habe der Kläger keine hoheitlichen Aufgaben ausüben dürfen. Dies begegnet - auch im Hinblick auf die Grundsätze des sogenannten „faktischen Beamtenverhältnisses“ - keinen durchgreifenden Bedenken.
Der Senat kann offen lassen, ob es der vom Schrifttum entwickelten Rechtsfigur des faktischen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses zur Rückabwicklung eines fehlgeschlagenen Beamtenverhältnisses vorliegend bedarf (vgl. hierzu den Überblick bei Woydera/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Sachsen, Stand 2015, § 14 SächsBG n. F. - entspricht § 16 SächsBG a. F. -, Rn. 15 ff.). Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner oben zitierten Entscheidung (Urteil vom 21.10.1999 - 2 C 11.99 -, a. a. O. Rn. 25 f.), ohne das faktische Beamtenverhältnis explizit zu benennen, wie folgt ausgeführt:
„In den Fällen, in denen, wie auch hier, das von den Beteiligten beabsichtigte Beamtenverhältnis von Anfang an nicht bestanden hat, weil die Ernennung nichtig war oder zurückgenommen worden ist, hat der Dienstherr im Zuge seiner Entscheidung über die Rückforderung der dem vermeintlichen Beamten gezahlten Bezüge zu entscheiden, welche Beträge diesem belassen werden, § 14 Abs. 2 Satz 2 LBG NW (ebenso § 14 Satz 2 BBG). Diese Bestimmung ermächtigt den Dienstherrn nicht zur Rückforderung, sondern setzt die bei Nichtigkeit einer Ernennung grundsätzlich bestehende Rückforderbarkeit der rechtsgrundlos gezahlten Bezüge voraus. Diese Entscheidung hat der Beklagte sachgerecht getroffen. Er hat dem Kläger die Bezüge belassen, die diesem in der Zeit zugeflossen sind, in der er tatsächlich Dienst geleistet hat. Der Gedanke, das, was in der Zeit der Dienstverrichtung des vermeintlichen Beamten im Verhältnis nach außen und im Innenverhältnis zum Dienstherrn geschehen ist, aufrechtzuerhalten, ist in den beiden Sätzen des § 14 Abs. 2 LBG NW angelegt. Insoweit wird berücksichtigt, dass der vermeintliche Beamte ebenso wie der wirksam ernannte Beamte seine Arbeitskraft dem Dienstherrn tatsächlich zur Verfügung gestellt und ebenso Leistungen erbracht hat.“
Das Bundesverwaltungsgericht hat damit - unabhängig von der Ursache für den Wegfall des Beamtenverhältnisses - die Belassung der Bezüge für Zeiten der tatsächlichen Dienstleistung gebilligt. Anknüpfend an diese Ausführungen, denen sich der Senat anschließt, ist auch in der hier maßgeblichen Bestimmung des § 16 Abs. 2 SächsBG a. F. der Rechtsgedanke angelegt, dass die dem vermeintlichen Beamten gezahlten Bezüge für die Zeiten der Dienstverrichtung im Sinne der tatsächlichen Zurverfügungstellung der Arbeitskraft und der Leistungserbringung belassen werden können. Eine Belassung der Bezüge scheidet indessen aus, wenn ihrer Zahlung keine Dienstverrichtung in dem oben beschriebenen Sinn gegenüberstand. So liegt es hier: Der Kläger absolvierte seit dem Zeitpunkt seiner Ernennung den Vorbereitungsdienst als Polizeikommissar-Anwärter und befand sich im sechsmonatigen Vorstudium. In diesem Stadium findet eine Dienstverrichtung im Sinne einer tatsächlichen Leistungserbringung für den Dienstherrn regelmäßig nicht statt, den Anwärtern werden vielmehr die Kenntnisse vermittelt, die sie erst zur Wahrnehmung ihrer späteren dienstlichen Aufgaben befähigen. Nachdem der Kläger somit für den Dienstherrn im maßgeblichen Zeitraum noch ohne „praktischen Nutzen“ war, erscheint die Entscheidung, ihm die Bezüge aus diesem Grund nicht zu belassen, sachgerecht.
c) Der Kläger ist unstreitig entreichert (§ 818 Abs. 3 BGB), weil er die Bezüge im Rahmen der allgemeinen Lebensführung aufgebraucht hat; er ist für zwei Kinder unterhaltspflichtig.
d) Der Kläger kann sich jedoch nicht mit Erfolg auf den Wegfall der Bereicherung berufen, weil er den Mangel des Rechtsgrundes kannte (§§ 819 Abs. 1, 820 Abs. 1 Satz 2 BGB) oder kennen musste (§ 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG).
Der Kläger kannte unstreitig die der Rücknahme der Ernennung zugrunde liegenden Umstände. Durch Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 29.03.12 - 3 K 1244/11 - wurde rechtskräftig festgestellt, dass der Kläger seine Ernennung durch eine arglistige Täuschung herbeigeführt hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist der Mangel des Rechtsgrundes für den Empfänger dann offensichtlich, wenn er ihn nur deshalb nicht erkannt hat, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen hat. Für das Erkennenmüssen kommt es auf die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten des Besoldungsempfängers an. Bei Unklarheiten ist der Besoldungsempfänger gehalten, sich durch Rückfragen beim Dienstherrn Gewissheit darüber zu verschaffen, ob eine Zahlung zu Recht erfolgt.
Dem Kläger musste auch als juristischem Laien klar sein, dass seine Ernennung wegen der ihr vorausgegangenen arglistigen Täuschung keinen Bestand haben könnte. Selbst wenn ihm die Rechtsvorschrift des § 12 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG, die im Falle der arglistigen Täuschung zwingend die Rücknahme der Ernennung mit Wirkung für die Vergangenheit anordnet, nicht bekannt gewesen sein sollte, hätte es die im Verkehr erforderliche Sorgfalt geboten, sich über die möglichen rechtlichen Folgen bei seinem Dienstherrn zu erkundigen. Nicht ausreichend war es dagegen, lediglich die Ausbildung fortzusetzen und darauf zu vertrauen, dass es nicht zu rechtlichen Folgen kommen würde. Die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG lagen damit seit dem 01.04.11 vor. Auf die positive Kenntnis vom Mangel des Rechtsgrundes, die spätestens ab der Zustellung der Rücknahmeverfügung am 06.10.11 vorlag, kommt es deshalb nicht an.
e) Die Rückforderung der nach Zustellung der Rücknahmeverfügung erfolgten Bezügezahlungen ist nicht wegen § 814 BGB ausgeschlossen, weil diese Bestimmung im Bereich der Rückforderung überzahlter Dienstbezüge nach § 12 BBesG nicht gilt. Zwar regelt sich die Rückforderung gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, zu denen auch § 814 BGB gehört. § 12 Abs. 2 BBesG verweist aber nur insoweit auf die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs, als es um die Rechtsfolgen des Rückzahlungsanspruches geht. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rückforderung bezeichnet § 12 BBesG mit der Wendung „zuviel gezahlt“ eigenständig und abschließend. § 814 BGB regelt nicht den „Umfang der Erstattung“ (vgl. § 49a Abs. 2 Satz 1 VwVfG), sondern schließt den Bereicherungsanspruch dem Grunde nach aus. Eine solche Ergänzung des Rechtsgrundes lässt § 12 Abs. 2 BBesG nicht zu (so BVerwG, Urteil vom 28.02.02 - 2 C 2.01 -, juris Rn. 18).
f) Die vom Beklagten getroffene Billigkeitsentscheidung begegnet entgegen der Ansicht des Klägers ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Der Senat legt seiner Prüfung die rechtlichen Maßstäbe zugrunde, wie sie das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 26.04.12 - 2 C.15/10 -, juris Rn. 24 vorgibt:
„Nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG kann aus Billigkeitsgründen ganz oder teilweise von der Rückforderung abgesehen werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bezweckt eine Billigkeitsentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG, eine allen Umständen des Einzelfalles gerecht werdende, für die Behörde zumutbare und für den Beamten tragbare Lösung zu ermöglichen, bei der auch Alter, Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse des Herausgabepflichtigen eine maßgebende Rolle spielen. Sie ist Ausdruck des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben und stellt eine sinnvolle Ergänzung des ohnehin von dem gleichen Grundsatz geprägten Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung dar, so dass sie vor allem in Fällen der verschärften Haftung von Bedeutung ist. Dabei ist jedoch nicht die gesamte Rechtsbeziehung, aus welcher der Bereicherungsanspruch erwächst, nochmals unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu würdigen, sondern auf das konkrete Rückforderungsbegehren und vor allem auf die Modalitäten der Rückabwicklung und ihre Auswirkungen auf die Lebensumstände des Beamten abzustellen (Urteile vom 27. Januar 1994 - BVerwG 2 C 19.92 - BVerwGE 95, 94 <97> = Buchholz 240 § 12 BBesG Nr. 21, vom 25. November 1982 - BVerwG 2 C 14.81 - BVerwGE 66, 251 <255 f.> = Buchholz 235 § 12 BBesG Nr. 3 und vom 21. September 1989 - BVerwG 2 C 68.86 - Buchholz 240 § 12 BBesG Nr. 15 sowie Beschluss vom 11. Februar 1983 - BVerwG 6 B 61.82 - Buchholz 238.41 § 49 SVG Nr. 3). Bei der Billigkeitsentscheidung ist von besonderer Bedeutung, wessen Verantwortungsbereich die Überzahlung zuzuordnen ist und in welchem Maße ein Verschulden oder Mitverschulden hierfür ursächlich war. Ein Mitverschulden der Behörde an der Überzahlung ist in die Ermessensentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG einzubeziehen (Urteile vom 27. Januar 1994 a.a.O und vom 21.04.1982 - BVerwG 6 C 112.78 - Buchholz 237.7 § 98 LBG NW Nr. 10; Beschluss vom 11. Februar 1983 - BVerwG 6 B 61.82 - a.a.O.). Deshalb ist aus Gründen der Billigkeit in der Regel von der Rückforderung teilweise abzusehen, wenn der Grund für die Überzahlung in der überwiegenden behördlichen Verantwortung liegt. In diesen Fällen ist der Beamte entreichert, kann sich aber, wie dargelegt, auf den Wegfall der Bereicherung nicht berufen. Dann muss sich die überwiegende behördliche Verantwortung für die Überzahlung aber in der Billigkeitsentscheidung niederschlagen. Das ist auch unter Gleichheitsgesichtspunkten geboten. Der Beamte, der nur einen untergeordneten Verursachungsbeitrag für die Überzahlung gesetzt hat, muss besser stehen als der Beamte, der die Überzahlung allein zu verantworten hat. Angesichts dessen erscheint ein Absehen von der Rückforderung in der Größenordnung von 30 % des überzahlten Betrages im Regelfall angemessen. Bei Hinzutreten weiterer Umstände, etwa besonderer wirtschaftlicher Probleme des Beamten, kann auch eine darüber hinausgehende Ermäßigung des Rückforderungsbetrages in Betracht kommen.“
Maßgebend ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (vgl. BVerwG, Urteil vom 08.10.1998 - 2 C 91.97 -, juris Rn. 22; Urteil vom 25.01.01 - 2 A 7.99 -, juris Rn. 23).
Nach diesen Maßstäben erweist sich die getroffene Billigkeitsentscheidung des Beklagten, die Rückzahlung bis zum 31.10.12 zu stunden und dem Kläger eine weitere Stundung und ggfs. Aufnahme einer angemessenen Ratenzahlung nach Einreichung neuer Einkommensnachweise zu ermöglichen, vor dem Hintergrund der zu diese Zeitpunkt bekannten finanziellen Situation und dem Lebensalter des Klägers als ermessensfehlerfrei. ...
IInsbesondere bestand entgegen der Auffassung des Klägers kein Anlass, von der Rückforderung teilweise deshalb abzusehen, weil der Grund für die Überzahlung in der überwiegenden behördlichen Verantwortung gelegen hätte. Im Hinblick auf die Rückforderung für den Zeitraum 01.04.11 bis zum 06.10.11 (Zustellung des Rücknahmebescheids) fehlt es bereits an einem Verschulden des Beklagten an der Überzahlung. Denn in diesem Zeitraum befand sich der Kläger in einem Beamtenverhältnis mit dem dazugehörigen Besoldungsanspruch; dass dieser Anspruch durch die ex tunc wirkende Rücknahme der Ernennung rückwirkend entfallen ist, stellt kein Verschulden des Beklagten dar, sondern beruht allein auf der arglistigen Täuschung des Klägers vor seiner Ernennung. Etwas anderes gilt indessen für den Zeitraum ab Zustellung des unter Sofortvollzug gesetzten Rücknahmebescheids, weil ab diesem Zeitpunkt der Rechtsgrund für die weitere Gewährung von Bezügen weggefallen war. Selbst wenn man dem Beklagten eine gewisse Zeitspanne zubilligt, um den Wegfall des Besoldungsanspruchs durch die Einstellung der Bezügezahlungen technisch zu realisieren, dürfte zumindest die Bezügezahlung für Dezember 2011 durch den Beklagten verschuldet sein. Hieraus kann der Kläger jedoch nichts für sich herleiten: Denn er hat - anders als in dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall der fehlerhaften Bezügefestsetzung - genau gewusst, dass ihm die seit dem 06.10.11 gewährten Bezüge nicht mehr zustehen. Diese Sachlage lässt sich nicht mit der Konstellation einer versehentlichen Überzahlung vergleichen, weil dem Kläger insoweit kein schutzwürdiges Vertrauen zur Seite steht. Sonstige Gesichtspunkte, die im Rahmen der Billigkeitsentscheidung hätten Berücksichtigung finden müssen, sind weder vorgetragen noch sonst für den Senat ersichtlich. Die Berufung ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 6.10.14 - 11 K 473/13 - wird zurückgewiesen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von Anwärterbezügen in Höhe von 10.725,99 €.
Mit Wirkung zum 01.04.11 wurde der Kläger vom Beklagten unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Polizeikommissar-Anwärter ernannt. Er hatte zuvor eine Erklärung mit dem Inhalt unterschrieben, dass gegen ihn weder ein Ermittlungs- noch ein Strafverfahren seitens der Polizei, der Staatsanwaltschaft oder eines Gerichts sowie kein disziplinarrechtliches Vorermittlungsverfahren eingeleitet worden sei.
Am Nachmittag des 01.04.11 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass seine damalige Lebensgefährtin gegen ihn Strafanzeige wegen Körperverletzung erstattet habe wegen eines Vorfalls am 24.03.11, der am 28.03.11 der zuständigen Polizeibehörde zur Kenntnis gelangt war.
Nach Anhörung des Klägers mit Schreiben vom 08.08.11 nahm das Präsidium der Bereitschaftspolizei Sachsen mit Bescheid vom 29.09.11 die zum April 2011 erfolgte Ernennung des Klägers zurück und forderte die seither gezahlten Anwärterbezüge zurück, weil der Kläger zum Einstellungszeitpunkt verschwiegen habe, Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren zu sein und dadurch den Tatbestand der arglistigen Täuschung erfüllt habe.
Auf die hiergegen gerichtete Klage hob das Verwaltungsgericht Leipzig mit rechtskräftigem Urteil vom 29.03.12 - 3 K 1244/11 - den Bescheid vom 29.09.11 hinsichtlich der Rückforderung von Bezügen auf, weil die in Bezug genommene Vorschrift des § 16 Abs. 2 Satz 2 SächsBG keine ausreichende Anspruchsgrundlage darstelle; hinsichtlich der Rücknahme der Ernennung wies es die Klage ab.
Nach Anhörung des Klägers zur vollständigen Rückforderung der überzahlten Bezüge erließ das Landesamt für Steuern und Finanzen am 19.07.12 den streitgegenständlichen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid.
Darin wird ausgeführt, dass der Kläger nach § 12 Abs. 2 BBesG i. V. m. §§ 812 ff. BGB verpflichtet sei, die seit dem 01.04.11 bis 31.12.11 rechtsgrundlos erhaltenen Anwärterbezüge in Höhe von 10.725,99 € zurückzuzahlen. Durch die (rechtskräftige) Rücknahme der Ernennung sei der Anspruch auf Alimentation rückwirkend entfallen. Dem Landesamt sei durch Verfügung des Präsidiums der Bereitschaftspolizei vom 18.06.12 mitgeteilt worden, dass die dem Kläger gewährten Leistungen diesem nicht zu belassen seien (§ 16 Abs. 2 SächsBG). Da die vom Kläger herbeigeführte Täuschung des Dienstherrn ursächlich für die Rücknahme der Ernennung gewesen sei, könne er sich nicht auf den Wegfall der Bereicherung nach § 819 Abs. 1 BGB berufen. Vor diesem Hintergrund werde auch in Anwendung des § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG von einer vollständigen bzw. teilweisen Belassung der Anwärterbezüge abgesehen. Die Rückforderung werde vorerst bis zum 31.10.12 gestundet; über eine weitere Stundung und ggfs. Aufnahme einer angemessenen Ratenzahlung werde jeweils nach Einreichung neuer Einkommensnachweise entschieden.
Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.08.12 ... zurück.
Die am 01.10.12 erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 06.10.14 - 11 K 473/13 - ab.
Der auf § 17 SächsBesG a. F. i. V. m. § 12 BBesG gestützte Rückforderungsbescheid begegne keinen rechtlichen Bedenken. Die Grundsätze des sog. faktischen Beamtenverhältnisses seien nicht einschlägig. Wegen der verschärften Haftung könne sich der Kläger nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Die vom Beklagten nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG getroffene Billigkeitsentscheidung sei nicht zu beanstanden. Der Umstand, dass der Kläger bis zur Rücknahme der Ernennung im Dienst gewesen sei, habe keine weitergehende Billigkeitsentscheidung erfordert. Auch ein Mitverschulden des Beklagten an der Überzahlung scheide aus. Dies gelte auch für die nach Rücknahme der Ernennung zunächst erfolgte Weiterzahlung der Bezüge.
Auf den Antrag des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 17.03.16 - 2 A 535/14 - die Berufung auf der Grundlage von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen, zu deren Begründung der Kläger ausführt:
Der Rückforderungsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides sei rechtswidrig. Der Beklagte sei wegen der bereits im Zulassungsverfahren genannten Gründe von der Rückforderung der von ihm ab dem 08.08.11 gezahlten Bezüge ausgeschlossen. Zur Begründung werde auf den Schriftsatz vom 10.12.14 Bezug genommen. Dort hatte der Kläger ausgeführt, spätestens seit dem Anhörungsschreiben vom 08.08.11 zur beabsichtigten Rücknahme der Ernennung habe der Beklagte Kenntnis vom Wegfall des Rechtsgrundes für die Leistung von Bezügen an den Kläger gehabt. Wenn er gleichwohl weiter Bezüge geleistet habe, stelle dies ein widersprüchliches Verhalten dar, das er sich nach § 814 BGB entgegenhalten lassen müsse. Er könne sich nicht darauf berufen, dass die zunächst erfolgte Weitergewährung der Bezüge auf einer „maschinellen, in Masseverfahren nicht rückgängig zu machenden Einstellung“ beruhe.
Er sei entreichert; ihn treffe keine verschärfte Haftung nach § 819 BGB. Zwar habe er die der Rücknahme der Ernennung zugrunde gelegten Tatsachen gekannt. Er habe indessen keine Kenntnis von den hieraus zu ziehenden Rechtsfolgen gehabt, wie sich aus seinem nachfolgenden Verhalten bis zum Zeitpunkt seiner Entlassung ergebe. Hätte er Kenntnis der Rechtsfolgen gehabt, hätte er die für ihn unnütze Ausbildung abgebrochen und sich nicht für sein späteres Leben verschuldet. Dass mit der Rücknahme seiner Ernennung zu rechnen sei, habe sich ihm nicht aufdrängen müssen; ihm sei als juristischem Laien kein Sorgfaltsverstoß vorzuwerfen. Dem Einwand des Wegfalls der Bereicherung stehe auch nicht § 820 Abs. 1 Satz 2 BGB entgegen. Die Billigkeitsentscheidung des Beklagten, die Rückzahlung lediglich zu stunden, erweise sich entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts als ermessensfehlerhaft. Er sei bis zur Rücknahme seiner Ernennung im Dienst gewesen. Er habe mit der Rücknahme seiner Ernennung und der damit einhergehenden Rückforderung der Anwärterbezüge nicht gerechnet, sondern - für den Beklagten erkennbar - auf den Fortbestand des Beamtenverhältnisses vertraut. Andernfalls hätte er selbst seine Entlassung beantragt. Die Rückforderung sei auch nach den Grundsätzen des faktischen Beamtenverhältnisses ausgeschlossen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 06.10.14 - 11 K 473/13 - zu ändern und den Rückforderungsbescheid des Beklagten vom 19.07.12 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 28.08.12 aufzuheben ...
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. ...
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Rückforderungsbescheid des Beklagten vom 19.07.12 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 28.08.12 erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
1. Die Rechtsgrundlage für die Rückforderung folgt aus § 17 SächsBesG i. d. F. d. Bekanntmachung v. 28.01.1998 (SächsGVBl. S. 50) in der am 31.12.12 geltenden Fassung (im Weiteren a. F.) i. V. m. § 12 Abs. 2 BBesG i. d. F. d. Bekanntmachung v. 06.08.02 (BGBl. I S. 3020), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes v. 19.07.07 (BGBl. I S. 1457, 1458) i. V. m. § 16 Abs. 2 Satz 2 SächsBG i. d. F. d. Bekanntmachung v. 12.05.09 (SächsGVBl. S. 194) in der am 31.12.12 geltenden Fassung (im Weiteren a. F.).
Die beamtenrechtlichen Vorschriften über die Rückgewähr zuviel gezahlter Bezüge finden auch dann Anwendung, wenn - wie hier - die Ernennung zurückgenommen und damit rückwirkend das Beamtenverhältnis beseitigt worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.10.1999 - 2 C 11.99 -, Rn. 20 bis 23).
Gemäß § 12 Abs. 2 BBesG richtet sich die Rückforderung zuviel gezahlter Bezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes der Zahlung steht es gleich, wenn der Mangel so offensichtlich war, dass der Empfänger ihn hätte erkennen müssen.
Von der Rückforderung kann aus Billigkeitsgründen mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle ganz oder teilweise abgesehen werden.
Gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 SächsBG a. F. können dem Ernannten die ihm bis zur Zustellung der Rücknahmeverfügung gewährten Leistungen belassen werden; die Entscheidung hierüber trifft die Stelle, die über die Rücknahme entscheidet.
2. Gemessen an diesen Bestimmungen begegnet der streitgegenständliche Rückforderungsbescheid keinen rechtlichen Bedenken.
a) Eine Zuvielzahlung von Bezügen liegt vor, weil ein Rechtsgrund für ihre Zahlung nicht bestanden hat.
Denn der dem Kläger mit der Ernennung zum Polizeikommissar-Anwärter ab 01.04.11 zustehende Besoldungsanspruch ist durch die (rechtskräftige) Rücknahme der Ernennung mit Verfügung vom 29.09.11 mit Wirkung für die Vergangenheit entfallen.
b) Eine nach § 16 Abs. 2 Satz 2 SächsBG a. F. mögliche Belassung der gewährten Leistungen durch Entscheidung der für die Rücknahme zuständigen Stelle scheidet vorliegend aus. Die zuständige Behörde - das Präsidium der Bereitschaftspolizei Sachsen - hat am 18.06.12 entschieden, dass die dem Kläger gewährten Anwärterbezüge diesem nicht belassen werden, weil der Kläger seine Ernennung durch arglistige Täuschung herbeigeführt und damit die Voraussetzungen für die Rücknahme der Ernennung in vorwerfbarer Weise geschaffen habe. Zudem werde berücksichtigt, dass der Kläger im Rahmen seiner Ausbildung im gehobenen Polizeivollzugsdienst keine „echte Gegenleistung“ erbracht habe. Während seiner Ausbildung, insbesondere in den ersten sechs Monaten seines Vorstudiums habe der Kläger keine hoheitlichen Aufgaben ausüben dürfen. Dies begegnet - auch im Hinblick auf die Grundsätze des sogenannten „faktischen Beamtenverhältnisses“ - keinen durchgreifenden Bedenken.
Der Senat kann offen lassen, ob es der vom Schrifttum entwickelten Rechtsfigur des faktischen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses zur Rückabwicklung eines fehlgeschlagenen Beamtenverhältnisses vorliegend bedarf (vgl. hierzu den Überblick bei Woydera/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Sachsen, Stand 2015, § 14 SächsBG n. F. - entspricht § 16 SächsBG a. F. -, Rn. 15 ff.). Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner oben zitierten Entscheidung (Urteil vom 21.10.1999 - 2 C 11.99 -, a. a. O. Rn. 25 f.), ohne das faktische Beamtenverhältnis explizit zu benennen, wie folgt ausgeführt:
„In den Fällen, in denen, wie auch hier, das von den Beteiligten beabsichtigte Beamtenverhältnis von Anfang an nicht bestanden hat, weil die Ernennung nichtig war oder zurückgenommen worden ist, hat der Dienstherr im Zuge seiner Entscheidung über die Rückforderung der dem vermeintlichen Beamten gezahlten Bezüge zu entscheiden, welche Beträge diesem belassen werden, § 14 Abs. 2 Satz 2 LBG NW (ebenso § 14 Satz 2 BBG). Diese Bestimmung ermächtigt den Dienstherrn nicht zur Rückforderung, sondern setzt die bei Nichtigkeit einer Ernennung grundsätzlich bestehende Rückforderbarkeit der rechtsgrundlos gezahlten Bezüge voraus. Diese Entscheidung hat der Beklagte sachgerecht getroffen. Er hat dem Kläger die Bezüge belassen, die diesem in der Zeit zugeflossen sind, in der er tatsächlich Dienst geleistet hat. Der Gedanke, das, was in der Zeit der Dienstverrichtung des vermeintlichen Beamten im Verhältnis nach außen und im Innenverhältnis zum Dienstherrn geschehen ist, aufrechtzuerhalten, ist in den beiden Sätzen des § 14 Abs. 2 LBG NW angelegt. Insoweit wird berücksichtigt, dass der vermeintliche Beamte ebenso wie der wirksam ernannte Beamte seine Arbeitskraft dem Dienstherrn tatsächlich zur Verfügung gestellt und ebenso Leistungen erbracht hat.“
Das Bundesverwaltungsgericht hat damit - unabhängig von der Ursache für den Wegfall des Beamtenverhältnisses - die Belassung der Bezüge für Zeiten der tatsächlichen Dienstleistung gebilligt. Anknüpfend an diese Ausführungen, denen sich der Senat anschließt, ist auch in der hier maßgeblichen Bestimmung des § 16 Abs. 2 SächsBG a. F. der Rechtsgedanke angelegt, dass die dem vermeintlichen Beamten gezahlten Bezüge für die Zeiten der Dienstverrichtung im Sinne der tatsächlichen Zurverfügungstellung der Arbeitskraft und der Leistungserbringung belassen werden können. Eine Belassung der Bezüge scheidet indessen aus, wenn ihrer Zahlung keine Dienstverrichtung in dem oben beschriebenen Sinn gegenüberstand. So liegt es hier: Der Kläger absolvierte seit dem Zeitpunkt seiner Ernennung den Vorbereitungsdienst als Polizeikommissar-Anwärter und befand sich im sechsmonatigen Vorstudium. In diesem Stadium findet eine Dienstverrichtung im Sinne einer tatsächlichen Leistungserbringung für den Dienstherrn regelmäßig nicht statt, den Anwärtern werden vielmehr die Kenntnisse vermittelt, die sie erst zur Wahrnehmung ihrer späteren dienstlichen Aufgaben befähigen. Nachdem der Kläger somit für den Dienstherrn im maßgeblichen Zeitraum noch ohne „praktischen Nutzen“ war, erscheint die Entscheidung, ihm die Bezüge aus diesem Grund nicht zu belassen, sachgerecht.
c) Der Kläger ist unstreitig entreichert (§ 818 Abs. 3 BGB), weil er die Bezüge im Rahmen der allgemeinen Lebensführung aufgebraucht hat; er ist für zwei Kinder unterhaltspflichtig.
d) Der Kläger kann sich jedoch nicht mit Erfolg auf den Wegfall der Bereicherung berufen, weil er den Mangel des Rechtsgrundes kannte (§§ 819 Abs. 1, 820 Abs. 1 Satz 2 BGB) oder kennen musste (§ 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG).
Der Kläger kannte unstreitig die der Rücknahme der Ernennung zugrunde liegenden Umstände. Durch Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 29.03.12 - 3 K 1244/11 - wurde rechtskräftig festgestellt, dass der Kläger seine Ernennung durch eine arglistige Täuschung herbeigeführt hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist der Mangel des Rechtsgrundes für den Empfänger dann offensichtlich, wenn er ihn nur deshalb nicht erkannt hat, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen hat. Für das Erkennenmüssen kommt es auf die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten des Besoldungsempfängers an. Bei Unklarheiten ist der Besoldungsempfänger gehalten, sich durch Rückfragen beim Dienstherrn Gewissheit darüber zu verschaffen, ob eine Zahlung zu Recht erfolgt.
Dem Kläger musste auch als juristischem Laien klar sein, dass seine Ernennung wegen der ihr vorausgegangenen arglistigen Täuschung keinen Bestand haben könnte. Selbst wenn ihm die Rechtsvorschrift des § 12 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG, die im Falle der arglistigen Täuschung zwingend die Rücknahme der Ernennung mit Wirkung für die Vergangenheit anordnet, nicht bekannt gewesen sein sollte, hätte es die im Verkehr erforderliche Sorgfalt geboten, sich über die möglichen rechtlichen Folgen bei seinem Dienstherrn zu erkundigen. Nicht ausreichend war es dagegen, lediglich die Ausbildung fortzusetzen und darauf zu vertrauen, dass es nicht zu rechtlichen Folgen kommen würde. Die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG lagen damit seit dem 01.04.11 vor. Auf die positive Kenntnis vom Mangel des Rechtsgrundes, die spätestens ab der Zustellung der Rücknahmeverfügung am 06.10.11 vorlag, kommt es deshalb nicht an.
e) Die Rückforderung der nach Zustellung der Rücknahmeverfügung erfolgten Bezügezahlungen ist nicht wegen § 814 BGB ausgeschlossen, weil diese Bestimmung im Bereich der Rückforderung überzahlter Dienstbezüge nach § 12 BBesG nicht gilt. Zwar regelt sich die Rückforderung gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, zu denen auch § 814 BGB gehört. § 12 Abs. 2 BBesG verweist aber nur insoweit auf die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs, als es um die Rechtsfolgen des Rückzahlungsanspruches geht. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rückforderung bezeichnet § 12 BBesG mit der Wendung „zuviel gezahlt“ eigenständig und abschließend. § 814 BGB regelt nicht den „Umfang der Erstattung“ (vgl. § 49a Abs. 2 Satz 1 VwVfG), sondern schließt den Bereicherungsanspruch dem Grunde nach aus. Eine solche Ergänzung des Rechtsgrundes lässt § 12 Abs. 2 BBesG nicht zu (so BVerwG, Urteil vom 28.02.02 - 2 C 2.01 -, juris Rn. 18).
f) Die vom Beklagten getroffene Billigkeitsentscheidung begegnet entgegen der Ansicht des Klägers ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Der Senat legt seiner Prüfung die rechtlichen Maßstäbe zugrunde, wie sie das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 26.04.12 - 2 C.15/10 -, juris Rn. 24 vorgibt:
„Nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG kann aus Billigkeitsgründen ganz oder teilweise von der Rückforderung abgesehen werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bezweckt eine Billigkeitsentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG, eine allen Umständen des Einzelfalles gerecht werdende, für die Behörde zumutbare und für den Beamten tragbare Lösung zu ermöglichen, bei der auch Alter, Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse des Herausgabepflichtigen eine maßgebende Rolle spielen. Sie ist Ausdruck des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben und stellt eine sinnvolle Ergänzung des ohnehin von dem gleichen Grundsatz geprägten Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung dar, so dass sie vor allem in Fällen der verschärften Haftung von Bedeutung ist. Dabei ist jedoch nicht die gesamte Rechtsbeziehung, aus welcher der Bereicherungsanspruch erwächst, nochmals unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu würdigen, sondern auf das konkrete Rückforderungsbegehren und vor allem auf die Modalitäten der Rückabwicklung und ihre Auswirkungen auf die Lebensumstände des Beamten abzustellen (Urteile vom 27. Januar 1994 - BVerwG 2 C 19.92 - BVerwGE 95, 94 <97> = Buchholz 240 § 12 BBesG Nr. 21, vom 25. November 1982 - BVerwG 2 C 14.81 - BVerwGE 66, 251 <255 f.> = Buchholz 235 § 12 BBesG Nr. 3 und vom 21. September 1989 - BVerwG 2 C 68.86 - Buchholz 240 § 12 BBesG Nr. 15 sowie Beschluss vom 11. Februar 1983 - BVerwG 6 B 61.82 - Buchholz 238.41 § 49 SVG Nr. 3). Bei der Billigkeitsentscheidung ist von besonderer Bedeutung, wessen Verantwortungsbereich die Überzahlung zuzuordnen ist und in welchem Maße ein Verschulden oder Mitverschulden hierfür ursächlich war. Ein Mitverschulden der Behörde an der Überzahlung ist in die Ermessensentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG einzubeziehen (Urteile vom 27. Januar 1994 a.a.O und vom 21.04.1982 - BVerwG 6 C 112.78 - Buchholz 237.7 § 98 LBG NW Nr. 10; Beschluss vom 11. Februar 1983 - BVerwG 6 B 61.82 - a.a.O.). Deshalb ist aus Gründen der Billigkeit in der Regel von der Rückforderung teilweise abzusehen, wenn der Grund für die Überzahlung in der überwiegenden behördlichen Verantwortung liegt. In diesen Fällen ist der Beamte entreichert, kann sich aber, wie dargelegt, auf den Wegfall der Bereicherung nicht berufen. Dann muss sich die überwiegende behördliche Verantwortung für die Überzahlung aber in der Billigkeitsentscheidung niederschlagen. Das ist auch unter Gleichheitsgesichtspunkten geboten. Der Beamte, der nur einen untergeordneten Verursachungsbeitrag für die Überzahlung gesetzt hat, muss besser stehen als der Beamte, der die Überzahlung allein zu verantworten hat. Angesichts dessen erscheint ein Absehen von der Rückforderung in der Größenordnung von 30 % des überzahlten Betrages im Regelfall angemessen. Bei Hinzutreten weiterer Umstände, etwa besonderer wirtschaftlicher Probleme des Beamten, kann auch eine darüber hinausgehende Ermäßigung des Rückforderungsbetrages in Betracht kommen.“
Maßgebend ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (vgl. BVerwG, Urteil vom 08.10.1998 - 2 C 91.97 -, juris Rn. 22; Urteil vom 25.01.01 - 2 A 7.99 -, juris Rn. 23).
Nach diesen Maßstäben erweist sich die getroffene Billigkeitsentscheidung des Beklagten, die Rückzahlung bis zum 31.10.12 zu stunden und dem Kläger eine weitere Stundung und ggfs. Aufnahme einer angemessenen Ratenzahlung nach Einreichung neuer Einkommensnachweise zu ermöglichen, vor dem Hintergrund der zu diese Zeitpunkt bekannten finanziellen Situation und dem Lebensalter des Klägers als ermessensfehlerfrei. ...
IInsbesondere bestand entgegen der Auffassung des Klägers kein Anlass, von der Rückforderung teilweise deshalb abzusehen, weil der Grund für die Überzahlung in der überwiegenden behördlichen Verantwortung gelegen hätte. Im Hinblick auf die Rückforderung für den Zeitraum 01.04.11 bis zum 06.10.11 (Zustellung des Rücknahmebescheids) fehlt es bereits an einem Verschulden des Beklagten an der Überzahlung. Denn in diesem Zeitraum befand sich der Kläger in einem Beamtenverhältnis mit dem dazugehörigen Besoldungsanspruch; dass dieser Anspruch durch die ex tunc wirkende Rücknahme der Ernennung rückwirkend entfallen ist, stellt kein Verschulden des Beklagten dar, sondern beruht allein auf der arglistigen Täuschung des Klägers vor seiner Ernennung. Etwas anderes gilt indessen für den Zeitraum ab Zustellung des unter Sofortvollzug gesetzten Rücknahmebescheids, weil ab diesem Zeitpunkt der Rechtsgrund für die weitere Gewährung von Bezügen weggefallen war. Selbst wenn man dem Beklagten eine gewisse Zeitspanne zubilligt, um den Wegfall des Besoldungsanspruchs durch die Einstellung der Bezügezahlungen technisch zu realisieren, dürfte zumindest die Bezügezahlung für Dezember 2011 durch den Beklagten verschuldet sein. Hieraus kann der Kläger jedoch nichts für sich herleiten: Denn er hat - anders als in dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall der fehlerhaften Bezügefestsetzung - genau gewusst, dass ihm die seit dem 06.10.11 gewährten Bezüge nicht mehr zustehen. Diese Sachlage lässt sich nicht mit der Konstellation einer versehentlichen Überzahlung vergleichen, weil dem Kläger insoweit kein schutzwürdiges Vertrauen zur Seite steht. Sonstige Gesichtspunkte, die im Rahmen der Billigkeitsentscheidung hätten Berücksichtigung finden müssen, sind weder vorgetragen noch sonst für den Senat ersichtlich. Die Berufung ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.